KP-Geburtstagsansprache: Hu las ab
Der chinesische Staats- und Parteichef hält anlässlich des KP-Geburtstags eine Rede und plagiiert dabei sich selbst. Auf der Suche nach den drei Prozent Originalität.
PEKING taz | Wie haben sich die Zeiten geändert! Die Partei feierte gestern ihren neunzigsten Geburtstag, und Staats- und Parteichef Hu Jintao wandte sich an das Volk. Hu las ab - 80 Minuten lang. Das war verhältnismäßig kurz und knackig im Vergleich zu Früher, - und meilenweit entfernt von dem, was der alte Kämpe Fidel Castro von der Bruderpartei in Kuba und die Moskauer Sowjetführer ihren Bürgern einst antaten: Die schafften es in ihren goldenen Zeiten fünf bis sieben Stunden zu sprechen, Castro brauchte für diese Marathon-Ansprachen nicht einmal ein Manuskript. Aber nach dem Tod Mao Zedongs (1976) hat sich ein bis dato als konterrevolutionär verfemtes Motto wieder in die Volksrepublik zurückgeschlichen: "Zeit ist Geld".
Hu nutzte diese wertvollen Minuten, um den Chinesen grundsätzlich zu erklären, dass Korruption schlecht und Fortschritt gut sei, ein Mehrparteiensystem für China nicht in Frage komme und das Land sich weiterhin im Anfangsstadium des Sozialismus befinde.
Zuhörer draußen im Lande ließen allerdings den gebührenden Ernst missen und fütterten einen Teil der Rede an die Webseite Plagiarisma.net. Und voila! 97 Prozent des Gesagten hatte Hu an anderer Stelle fast wortgleich schon einmal verkündet. Er hatte sich selbst plagiiert.
Beispiel Neujahrsansprache 2011: "Wir werden unbeirrt das große Banner des Sozialismus chinesischer Prägung hochhalten." - 90. KP-Geburtstag: "Damit sich unsere Partei mit dem Volk vereinigen kann... muss sie das große Banner des Sozialismus chinesischer Prägung hochhalten."
Doch jetzt in Aufregung oder ungebührliche Heiterkeit zu verfallen ist verfehlt. Solche Reden werden nicht von Hu selbst und ein paar Beratern erdacht. Sie sind das Ergebnis monatelanger Abstimmungen zwischen verschiedenen Flügeln der Partei, in denen jedes Wort auf die Goldwaage geworfen wird. Die Formelhaftigkeit ist das Ergebnis "jesuitischer Debatten" innerhalb der KP-Elfenbeintürme.
Außer einer kleinen Berufsgruppe masochistischer Politologen, die sich einen Reim über die Vorgänge in der Partei machen wollen, hört ohnehin niemand hin. Für diese Beobachter gibt es jetzt wieder neue Arbeit. Sie müssen nach den drei Prozent "originellen" Worten suchen.
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