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Archiv-Artikel

KOSOVO: EUROPA BRAUCHT EIN KLARES KONZEPT FÜR SÜDOSTEUROPA Gefährlicher Schwebezustand

Nach dem Tod des Kosovo-Präsidenten Ibrahim Rugova werden Verhandlungen über den Status der nominell nach wie vor serbischen Provinz nicht einfacher. Dennoch ändern sein Ableben und die Frage, wer dem „Gandhi des Balkans“ nachfolgt, an zwei Gegebenheiten überhaupt nichts: Die Positionen Prishtinas und Belgrads stehen sich nach wie vor unversöhnlich gegenüber. Die übergroße Mehrheit der Kosovo-Albaner kann sich ein Leben innerhalb Serbiens nicht vorstellen und besteht auf Eigenstaatlichkeit. Genau das ist für die Verantwortlichen in Belgrad unannehmbar. Selbst die wenigen demokratisch gesinnten Kräfte dort wollen allenfalls über Autonomie reden.

In Anbetracht der ohnehin großen Schwierigkeiten, hier einen Kompromiss zu finden, wiegt ein weiterer Umstand nicht minder schwer: Bis dato hat die internationale Gemeinschaft immer noch kein klares Konzept für Kosovo. Die Ablehnung der Unabhängigkeit aus Angst vor einem Dominoeffekt ist zwar verständlich. Aber sie ist keine Strategie für die Zukunft der Region, zumal es hier nicht nur um das Kosovo geht, sondern um ganz Südosteuropa. Im April könnten die Montenegriner für eine Loslösung von Belgrad stimmen. Damit wäre die EU-Politik in diesem Punkt gescheitert. Auch das Nebeneinander zwischen Slawen und Albanern in Makedonien ist alles andere als stabil. Und Albaniens Regierungschef Sali Berisha ist jederzeit zuzutrauen, dass er mal wieder die großalbanische Karte aus dem Hut zieht.

Gefragt ist eine Strategie für den gesamten südosteuropäischen Raum. Hierbei ist in erster Linie Brüssel gefordert. Zugegeben, keine leichte Aufgabe angesichts einer stagnierenden Verfassungsdiskussion, Haushaltsstreitigkeiten, Erweiterungsmüdigkeit sowie dem bevorstehenden Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Dennoch muss Europa handeln. Denn der Schwebezustand blockiert auch die lebensnotwendige wirtschaftliche Entwicklung dieses Teils unseres Kontinents. Von den Vermittlern wird man bei den Kosovo-Verhandlungen keine Wunder erwarten dürfen. Dennoch gilt: Die Zeit drängt. BARBARA OERTEL