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KOMMENTAREUntergrund-Politik

■ Parlament ist nicht mehr Ort der Entscheidungen

Zwei wichtige Beratungen standen gestern im Rathaus Schöneberg an — eine öffentliche und eine nichtöffentliche. Im Plenarsaal wurde der Haushalt für das Jahr 1992 abschließend besprochen, wie immer Anlaß, sich über die bisherige Regierungspolitik auseinanderzusetzen. Am Rande dieses Redemarathons wollten sich der Regierende und die beiden Chefs von SPD und CDU zusammensetzen, um in vertraulicher Runde Einvernehmen über die Untertunnelung des zukünftigen Regierungsviertels herzustellen. Die Bundesregierung, so hieß es, erwarte von ihrer für nächste Woche geplanten Grundsatzentscheidung über den Umzug nach Berlin bereits ein Signal von der Spree.

Dieser Ablauf ist kennzeichnend für den politischen Willensbildungsprozeß in der Stadt. Im Plenarsaal können sich SPD und CDU, auf dem Polster ihrer satten Mehrheit, Scheindebatten über überwundenen Systemwettstreit und zu gewinnender innerer Einheit leisten, können zum wiederholten Male »die großen Aufgaben, die vor uns liegen« beschwörend auflisten und sogar das Fehlen einer Leitidee beklagen — die politischen Spitzen wissen schon längst, daß das Parlament nicht mehr der Ort der Entscheidungen ist. Diese werden zumeist hinter verschlossenen Türen und in vertrauten Runden getroffen. Die Regierungsfraktionen verkommen zu Akklamationsvereinen, und die Opposition kann zwar, wie gestern die FDP-Chefin von Braun, gute Reden halten, Einfluß hat sie keinen. Der SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt forderte vom Senat, unter dem Motto »Berlin plant sein neues Zentrum« die Berlinerinnen und Berliner an diesem Prozeß zu beteiligen. So wie es aussieht, dürfte die Bevölkerung bestenfalls noch mitentscheiden können, ob die Straßenbahnhaltestelle links oder rechts vom Bundeskanzleramt aufgestellt wird. Dieter Rulff

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