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KOMMENTAREAbsurdes Geschnatter

■ Was bleibt von den Diskussionen über den Golfkrieg?

Außer Gerede nichts gewesen? Kaum ein Ereignis vermochte die politischen Ansichten der Deutschen derart stark herauszufordern wie der Golfkrieg. Alle regten sich auf, und alle redeten mit. Niemand war von den Geschehnissen des Krieges wirklich betroffen, und niemand hat im nachhinein recht behalten. Der Angriff der Amerikaner hat weder einen Dritten Weltkrieg noch eine ökologische Apokalypse ausgelöst. Und Saddam Hussein war auch kein Adolf Hitler.

Wenn man außerdem sieht, wieviel weniger der Bürgerkrieg in Jugoslawien die Gemüter erregt, muß man sich fragen, ob damals wirklich über den Krieg als solchen gestritten, oder ob nicht eher Subtext gesprochen wurde. Betroffen waren die Deutschen nicht vom Nahostkonflikt, sondern vielmehr von den Diskussionen darüber — und damit vom politischen Umgang untereinander. Der Krieg gegen den Irak bildete nur einen Auslöser. Für manche wurde er zur Schwelle, die eigene Position neu zu überdenken beziehungsweise fahrenzulassen. Jahrelange Anhänger der Friedensbewegung merkten plötzlich, daß das hehre Dogma des Pazifismus Gewalt sogar verstärken kann. Prinzipielle Kriegsgegner hingegen legten auf einmal verbale Aggressionen an den Tag, die ihre Friedfertigkeit stark in Zweifel zog.

In allen Positionen schimmerte die deutsche Vergangenheit durch. Für viele war der Krieg nachträgliche Gelegenheit, den Anfängen des Zweiten Weltkriegs zu wehren. Genauso viele versuchten zu beweisen, daß sie kein Zugeständnis an einen kriegslüsternen Diktator machen. Ist es also nur die gemeinsame Vergangenheit, die übriggeblieben ist? Die Frage hinterläßt einen unbefriedigenden Grundgeschmack. Gerade deshalb aber sollte die Vehemenz, mit der gestritten wurde, ein Jahr später nachdenklich machen. Wenn man als Ergebnis lediglich zur Tagesordnung übergegangen ist, haben sich die vielen beschwörenden Appelle nur zu einem absurden Geschnatter diskreditiert. Elisa Klapheck

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