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KOMMENTARELegal, illegal, scheißegal

■ Ignorante Politiker, erfolgreiche Wirtschaftsverbrecher

Zeiten der Revolution, des Umbruchs, des radikalen gesellschaftlichen Wandels waren immer goldene Zeiten für Verbrecher verschiedenster Couleur — so derzeit auch im Osten Deutschlands. Mit der Währungsunion und der Privatisierung von Volks- und Staatseigentum ist dort eine unübersehbare Welle von Wirtschaftsverbrechen losgebrochen. Alte Ost-Seilschaften, West-Betrüger und gemischte Syndikate bereichern sich nach allen Regeln der Kunst. Rund um die Treuhand-Anstalt hat sich ein nahezu uferloser Morast von Betrug, Untreue und Korruption aufgetan. Das Monopoly der Spekulanten in der traditionell bestechungsfreudigen Hauptstadt wird nach den Spielregeln des sprichwörtlichen „Berliner Sumpfes“ gespielt.

So weit, so schlecht. Was diese „Vereinigungskriminalität“ jedoch vom gesellschaftlichen zum politischen Skandal macht, ist die Tatsache, daß sie kaum verfolgt wird. Die Betrugsdezernate der Berliner Kriminalpolizei sind seit über einem Jahr so hoffnungslos überlastet, daß Fälle mit Schäden in Millionenhöhe unbearbeitet liegenbleiben. Das Bundeskriminalamt — das hochgerüstete Lieblingskind deutscher Law-and-order-Politiker — verweigert kategorisch jede Unterstützung, das Bonner Innenministerium stellt sich seit einem Jahr tot. Daß die Bundesregierung wissentlich einen rechtsfreien Raum im Osten duldet, seine Ausbreitung gar fördert, ist inzwischen mehr als eine Verschwörungstheorie. Würde rückhaltlos ermittelt, so könnte am Ende die Vereinigung auch als gigantischer Beutezug von Wirtschaftsverbrechern erscheinen — zu dem sicher auch Politiker das ihre beigetragen und mitverdient haben.

Die Untätigkeit des Bundesinnenministeriums ist nicht Strafvereitelung im juristischen Sinne, aber doch ein politisches Signal, das auf professionelle Wirtschaftsverbrecher und solche, die es noch werden wollen, nur mehr als Aufforderung zur schamlosen Selbstbedienung verstanden werden kann. Das Strafrecht verliert seine präventive Funktion. Zu erläutern, wie angesichts der Erfahrung, daß sich Verbrechen in hohem Maße lohnen kann, die Ostdeutschen von den Segnungen des Rechtsstaates und seiner unabhängigen Justiz überzeugt werden sollen, wäre Sache der gewöhnlich um Erklärungen nicht verlegenen Sicherheitspolitiker. Derzeit bekommen die Neu-Bundesbürger Nachhilfeunterricht in den Grundregeln der westdeutschen Raff-Kultur. Der Erfolg zählt, nicht die Mittel, getreu jener Parole der Westberliner Hausbesetzer Anfang der achtziger Jahre: Legal, illegal, scheißegal. Michael Sontheimer

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