KOMMENTARE: Auf zum letzten Gefecht
■ Kippt Stoltenberg über die Panzeraffäre mit der Türkei?
Kein Zweifel, Stoltenberg ist fällig. Das Bundesverteidigungsministerium hat entgegen einem eindeutigen Beschluß des Haushaltsausschusses des Bundestages 15 — manche reden von 19 — Leopard-I-Panzer an die Türkei geliefert. Das ist, wie Stoltenberg selbst einräumt, ein gravierender Vorgang, der, soll ministerielle Verantwortung noch irgendeinen Sinn machen, nun endlich zu seinem Abgang führen muß.
Geklärt wäre damit allerdings gar nichts. Stoltenberg hat im Rahmen der Nato-Verteidigungshilfe, die die Bundesrepublik für die Türkei seit 1964 betreibt, die letzte Rate von insgesamt 200 Panzern liefern lassen, die die Türkei demnächst sowieso in Lizenz bauen wird. Das ist dem Parlament selbstverständlich schon lange bekannt. Daß die Türkei ihre Kurdenfrage seit 1924 mit militärischen Mitteln zu lösen versucht, kann den Mitgliedern des Verteidigungs- und Außenpolitischen Ausschusses des Bundestages eigentlich nicht erst im letzten Herbst aufgefallen sein.
Auch wenn man keinerlei Sympathie mit einem so skrupellosen Machtpolitiker wie Stoltenberg empfindet, wirkt die moralische Empörung eines Grafen Lambsdorff, der jahrelang als Wirtschaftsminister Persilscheine für deutsche Waffenexporteure ausstellen ließ, reichlich hohl. Für den FDP- Grafen ist der Bürgerkrieg in den kurdischen Bergen vielmehr eine gute Gelegenheit, der ungeliebten Türkei in der Frage des EG-Beitritts endgültig einen Korb zu geben.
Ähnlich durchsichtig ist die Empörung der Opposition. Als 1980 in Ankara die Militärs putschten, war vom damaligen Regierungschef Helmut Schmidt und seinem Verteidigungsminister Hans Apel von einem Stopp der Nato-Militärhilfe nichts zu hören. Andererseits kann sich die SPD, deren Parteichef Engholm in Schleswig-Holstein gerade um seine Wiederwahl kämpft, diesen Glücksfall nicht entgehen lassen — der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Ottfried Hennig tritt schließlich als CDU-Landesvorsitzender gegen Engholm an, und mit Stoltenberg als jahrzehntelangem Chef der CDU-Nord hat der SPD-Vorsitzende noch genügend Hühnchen zu rupfen. Kein Wunder, daß da die Empörung besonders hohe Wellen schlägt.
Als Akt der politischen Hygiene ist Stoltenberg längst fällig — da ist die jetzige Panzeraffäre so gut wie die vorangegangene Mähdrescher-Show. Aber es soll uns niemand erzählen, damit würde den toten Kurden Respekt gezollt oder die deutsche Außenpolitik würde sich künftig an moralischen Kriterien orientieren. Jürgen Gottschlich
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