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■ Die letzten westlichen Geiseln haben Beirut verlassen

Wenn heute die beiden letzten aus der Geiselhaft im Libanon entlassenen westlichen Ausländer, die Deutschen Thomas Kemptner und Heinrich Strübing, in Frankfurt landen, wird eine Spekulation im Vordergrund des Interesses stehen: Was hat die Bundesregierung für die Freilassung der beiden geboten beziehungsweise gezahlt? Die Rede ist von 20 Millionen Dollar an die Kidnapper und/oder Zusammenlegung der Hamadi-Brüder mit dem Ziel der vorzeitigen Freilassung, wie von den Entführern bis zuletzt gefordert. Man muß in jedem Fall davon ausgehen, daß die Freilassung der beiden Geiseln Teil eines wie immer gearteten Geschäfts ist.

Doch der Unterton der Empörung ist überflüssig. Gesetzt den Fall, es ist tatsächlich Geld geflossen: 20 Millionen Dollar sind schon zu schlechteren Zwecken ausgegeben worden, als zwei Menschen aus einer zermürbenden Geiselhaft zu befreien. Lösegeld im klassischen Sinne hat sicher nicht die wesentliche Rolle gespielt. Da mag schon eine andere Meldung des gestrigen Tages mehr über die Hintergründe der Freilassung aussagen: Schon nächste Woche werden EG-Beamte nach Beirut fliegen, um die Wiederaufnahme der vor über einem Jahrzehnt abgebrochenen EG- Hilfe für den Libanon in die Wege zu leiten.

Letztlich aber lag der Schlüssel für die Befreiung der Geiseln nicht in Beirut, sondern in Teheran. Schon länger ist deutlich erkennbar, daß das Regime im Iran die seit der islamischen Revolution anhaltende internationale Isolation aufweichen möchte, zumal der „realpolitische Flügel“ um Rafsandschani durch die Parlamentswahlen vor wenigen Wochen deutlich gestärkt wurde. Signale aus Teheran, Altlasten der Revolution jetzt nach und nach zu entsorgen, sollte man aber nicht mit dem Hinweis auf eine prinzipielle Nicht-Erpreßbarkeit abtun, jedenfalls dann nicht, wenn es um Menschenleben geht. Zöge der Iran seine Unterstützung für gewisse Hisbollah-Guerilla-Aktionen zurück, wäre einiges an Entspannung gewonnen. Vielleicht gelingt es in absehbarer Zeit ja auch, die iranische Führung davon zu überzeugen, daß eine Rücknahme des Mordaufrufs gegen Salman Rushdie ihren Interessen langfristig dienlicher ist, als sich weiter zu isolieren.

Wenn eine vorzeitige Haftentlassung von zwei Libanesen, die ihre Tat als „Kämpfer Gottes“ ausgeführt haben, der Preis für eine Normalisierung der Beziehungen in diesem Sinne ist, sollte die Bundesregierung nicht zu lange zögern. Jürgen Gottschlich

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