KOMMENTAR: Gläserner Brennstab
■ Die Konsequenzen aus Biblis u.a.
Genau ein Jahr nach „Urangate“ steht die Atomgemeinde vor einer neuen Vertrauenskrise. Ausschüsse und Kommissionen tagen täglich, Minister drehen ihre Pirouetten, das Krisen –Handling geht seinen Gang. Doch die politischen Konsequenzen sind noch nicht absehbar. Zentrale Forderung: der gläserne Brennstab, ein Ende der Vertuschungs- und Geheimhaltungsstrategien, die sofortige Offenlegung aller Informationen über alle Zwischenfälle der inklusive der Betriebsprotokolle der Operateure. Bei einem potentiellen Zerstörungspotential von tausend mal Hiroshima muß es sich ein Betreiber gefallen lassen, daß er bis hin zur umgefallenen Milchkanne alle „Vorkommnisse“ rapportiert. Das ist das Minimum.
Der Biblis-Störfall blieb unter der Decke, weil er zeitlich mit dem aufgeflogenen Hanauer Atomsumpf zusammenfiel. Als in Biblis im Dezember 87 die Warnlämpchen blinkten und die Betriebsmannschaft pennte, zählte ganz Deutschland die von der Transnuklear verschobenen und falsch deklarierten Fässer, schlitterte die Atomindustrie in ihre größte hausgemachte Krise. Hinter dem damaligen und hinter dem heutigen Skandal steht ein und derselbe Konzern: das RWE, Europas größter privater Stromversorger. Und es steht dieselbe Gemeinde zur Disposition, dieselbe verschworene Gemeinschaft von Atombrüdern, die keinen Kritiker und Skeptiker in ihren Reihen duldet, die sich in ihrem Hausblatt 'Atomwirtschaft' gegenseitig zum Geburtstag gratuliert, die sich selbst kontrolliert. Solange es undenkbar ist, daß Klaus Traube Chef des neuen Amtes für Strahlenschutz wird, solange werden wir von Störfäll zu Störfall hüpfen.
Manfred Kriener
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