KOMMENTAR: Westberliner Altlasten
■ CDU-Rachegelüste treiben Polizeiführung in die Krise
Verkehrte Welt. Alles redet von den riesigen Altlasten im Osten, die abzutragen seien. Doch wovon sich die schwarz- rote Koalition im Rathaus Schöneberg bisher mit Vorliebe in Atem halten läßt, sind die ungelösten Hinterlassenschaften im Westteil der Stadt. Jüngstes Beispiel: die Affäre um den Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus. Mit ihren vermeintlich breiten Schultern war die große Koalition eigentlich zum Aufräumen angetreten. Doch bisher hat sie — allen voran der Innensenator — die Krise in der Polizeiführung nur verschlimmert.
Das Motiv der Christdemokraten ist klar. Sie würden die »Affäre Kittlaus« gerne umdeuten in einen »Fall Schertz«. Schertz stört die CDU, weil er angeblich gegenüber den Wünschen des Ex-Innensenators Pätzold zu willfährig war. Man reibt sich verwundert die Augen: Hat der Polizeipräsident nicht auch jede Schandtat des CDU-Senators Kewenig mitgemacht? Und war es nicht die CDU, die Schertz überhaupt erst auf seinen Posten hob?
Es ist zum Lachen. Ausgerechnet die Konservativen, denen die innere Sicherheit schwer am Herzen liegt, treiben lieber die Polizeiführung ins Chaos, als daß sie darauf verzichten, ihre Rachegelüste an allem, was nach Pätzold riecht, zu befriedigen. Schwer zu verstehen ist nur die SPD. Der Innensenator läßt sich nicht anmerken, daß er eine Koalitionsbank mit den Sozis teilt. Die jedoch revanchieren sich in Gestalt eines innenpolitischen Sprechers, der besser als Conferencier beim Seniorenabend aufgehoben wäre. Die SPD scheint sich mit der Rolle des Juniorpartners abzufinden: Sie macht es sich gemütlich. Hans-Martin Tillack
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen