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KOMMENTARVerspielte Trümpfe

■ Den Kurden droht der Verlust ihres wichtigsten Schutzes: die Weltöffentlichkeit

Trumpfkarten im politischen Kampf um das Überleben hatten die Kurden bislang nie. Dieses Mal gab es derer zwei: die alliierte Präsenz in der sogenannten Schutzzone im Nordirak und die internationale Öffentlichkeit. Beide haben einen hohen Preis gekostet: Erst nach langem Zögern waren die Alliierten, allen voran die USA, bereit, Hunderttausende von kurdischen und assyrischen Flüchtlingen vor dem Tod zu bewahren. Die internationale Öffentlichkeit wäre ohne das Flüchtlingsdrama gar nicht erst auf das Volk ohne Land aufmerksam geworden. Alliierte Präsenz und die Schlagzeilen der Weltpresse — das schien eine ausreichende Sicherung zu sein, um sich auf die Autonomieverhandlungen mit dem Erzfeind in Bagdad einzulassen. Jetzt, kurz vor der immer wieder angekündigten Unterzeichnung eines Autonomieabkommens, zinkt Saddam Hussein nach und fordert von den Kurden, sich zu seinem Büttel zu machen. Just in diesem Moment stechen die Trumpfkarten der Kurden nicht mehr. Woran sie nicht unschuldig sind. Daß die Amerikaner den Abzug ihrer Truppen im Mai lauthals ankündigten, während man in Bagdad noch um Autonomie, Wahlen und politische Rechte verhandelte, hat vor allem Saddam Hussein ungemein beruhigt. Den USA liegt daran, daß möglichst bald irgendein Abkommen unterzeichnet wird, um ihren Abzug aus der Schutzzone zu rechtfertigen. An einer tatsächlich autonomen Region der Kurden liegt ihnen wenig. Das verlangt die Rücksichtnahme auf den Nato-Partner Türkei. All dies spielt sich in den Medien zunehmend nur noch in den Kurzmeldungsspalten ab. Meldungen über Inhalt des Abkommens und Stand der Verhandlungen geraten fast täglich in ein Gestrüpp von Dementis und Gerüchten. Spätestens jetzt rächt sich ein kapitaler Fehler der kurdischen Verhandlungsdelegationen um Massoud Barzani und Dschalal Talabani: Die Gespräche mit dem Löwen hätten nie in dessen Höhle stattfinden dürfen, sondern an irgendeinem anderen neutralen Ort — fern von der irakischen Pressezensur und der kurdischen Gerüchteküche. Die kocht um so mehr, je deutlicher Konflikte im Bündnis zwischen den Kurden-Führern Talabani und Barzani deutlich werden. Doch trotz aller taktischen Überlegungen der USA: Nichts hindert die Europäer, den Kurden den Rücken zu stärken. Es gab Zeiten, da wollten Politiker wie Willy Brandt oder Francois Mitterrand die Kurden bereits am Tisch einer Nahost-Konferenz plazieren. Jetzt würde es schon reichen, die Führer nicht nur der kurdischen Front, sondern auch des gesamtirakischen Oppositionsbündnisses im Elysee-Palast zu empfangen — und von dort aus mit dem Weißen Haus zu telefonieren. Andrea Böhm

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