KOMMENTAR: Der Preis für Berlin
■ Wie der Berlin-Beschluß die Rundfunkstruktur beeinflußt
Mit dem Votum des Bundestages für Berlin als Regierungssitz kam das Aus für eine Dreiländer-Rundfunkanstalt im Nordosten der Republik. Das war zu erwarten, denn die Vorbehalte, ein solches Modell leide unter der Dominanz Berlins, wurden potenziert. Ministerpräsident Gomolka, ohnehin in Sachen Rundfunkneuordnung mit dem Rücken gegen die Parlamentsmehrheit, nutzte die Gunst der Stunde, um ohne Gesichtsverlust dem von ihm zuvor favorisierten NORA (Nordostdeutsche Rundfunkanstalt aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) die kalte Schulter zu zeigen. Damit hat er die Koalitionskrise vom Tisch. Für Berlin jedoch wurde klar: Mit dem Machtzuwachs wächst die Skepsis gegen die Metropole. Das ist der Preis.
Von sinnvollen Strukturen allerdings war im Hin und Her um Mecklenburg-Vorpommern ohnehin nicht mehr die Rede. Beim Nachbessern um das von Berlin und dem Norddeutschen Rundfunk umworbene nördlichste Bundesland wurde zuletzt gerüchteweise nicht nur die Bonität des jeweiligen Widerparts in Frage gestellt, auch Geldangebote in dreistelliger Millionenhöhe sollen gehandelt worden sein. Rundfunkpolitik ist hier zur Standortpolitik verkommen. Wenn in Schwerin jetzt über eine Einländeranstalt spekuliert wird, so läuft doch alles auf einen Beitritt zum NDR hinaus. Damit würde aus dem NDR eine starke Vierländeranstalt, die in der ARD dem verwöhnten WDR gewachsen ist.
Schlecht ist, daß jetzt in Brandenburg der Ruf nach einem medienpolitischen Solo immer lauter wird. Das ist um so unverständlicher, als auf höchster politischer Ebene offen über das Zusammengehen von Berlin und Brandenburg diskutiert wird. Man braucht kein Parteigänger der CDU sein, um diese Eigenständigkeitsbestrebungen für einen „Riesenblödsinn“ zu halten. Glaubt man in Potsdam denn wirklich, daß man die DEFA-Studios in Babelsberg mit Eigenproduktionen besser wird ausfüllen können als zusammen mit einem starken Hauptstadtsender? Und auch die Spekulation, dem Wähler beim nächsten Urnengang möglichst viel Eigenständiges vorweisen zu können, geht am Problem vorbei. Denn den Zuschauer und Hörer interessiert nur eines, und das ist das Programm. Davon spricht bislang aber niemand.
Auch für die anstehende rundfunkpolitische Neuordnung hat die Entscheidung des Parlaments für Berlin vom 20. Juni weitere Konsequenzen. War bislang als Standort für ein nationales Programm immer auch Berlin im Gespräch, als Kompensation im Falle des entgangenen Regierungssitzes, so ist das jetzt vom Tisch. Der Deutschlandfunk in Köln wird sich freuen. Unklar ist allerdings, ob die vom DLF favorisierte Info-Welle in Berlin nicht besser am Puls der Zeit säße. Der Standort Köln stellt auf der anderen Seite eine gewisse Garantie für die föderative Rundfunkstruktur dar. Karl-Heinz Stamm
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