KOMMENTAR: Logik des Krieges
■ Für Slowenien gibt es keinen Weg zurück nach Jugoslawien
Angesichts der dramatischen Entwicklung in Jugoslawien geht es nicht mehr um die Frage, ob die Regierung Markovic noch zu stützen sei oder nicht. Das beginnen die Politiker in Westeuropa langsam zu begreifen, Genschers Äußerungen zumindest deuten in diese Richtung. Aber selbst im Militär, wo sich wie in keiner anderen jugoslawischen Institution der alte Geist des Titoismus erhalten hat, werden Risse sichtbar. Es beruhte auf einem filigranen nationalen Proporzsystem, das mit den Rücktritten und dem Ausschluß einiger slowenischer Offiziere aus dem Gleichgewicht gestoßen wurde. Mit der Einberufung von 200.000 serbischen Reservisten und dem Einsatz serbisch dominierter Verbände gerät der jetzt noch in Grenzen des Konfliktes von Zentralregierung und Republiken gehaltene Krieg zum unkalkulierbaren Bürgerkrieg der Völker Jugoslawiens.
Erstaunlich bleibt, mit welcher Vehemenz sich die Slowenen zur Wehr gesetzt haben. Die „Kühlen aus dem Norden“ haben während ihrer Unabhängigkeitsfeierlichkeiten im Gegensatz zu den Kroaten auf die Zurschaustellung nationalistischer Insignien verzichtet. In der Sache ist die slowenische Führung — im Gegensatz zur kroatischen — hart geblieben. Es ist wohl richtig, grundsätzlich über die eingeschlagene Strategie des militärischen Widerstands Zweifel anzumelden. Nach der Militäraktion gibt es keinen Weg mehr zurück in ein Jugoslawien. Die Slowenen achten jetzt sogar darauf, die Solidarität mit anderen Nationen nicht leichtfertig auszuüben, um nicht Verpflichtungen nach außen einzugehen, die sie wieder in ein neues Jugoslawien binden könnten. Ein tragisches Beispiel dafür ist, daß die gefangenen albanischen Soldaten an das serbische Rote Kreuz ausgeliefert werden sollten. Gleichwohl rückt die jugoslawische Armee von Belgrad aus auch auf Kroatien und Slowenien vor. Nach den ideologischen Mustern, die dieser Armee zur Verfügung stehen, ist das Schlimmste auch für die Zivilbevölkerung zu befürchten. In dieser Situation ist es nicht mehr möglich, mit politischen Mitteln allein auf Jugoslawien Druck auszuüben, da die Zentralregierung faktisch nicht mehr existiert. Dem militärischen Druck kann vielleicht nur mit militärischem Druck begegnet werden. Den politischen Institutionen Europas stehen schwierige Entscheidungen ins Haus. Sie könnten auch bedeuten, daß ein Truppeneinsatz notwendig ist. Erich Rathfelder
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