KOMMENTAR: Unverhältnismäßiges Verbot
■ Anwohner und Initiativen sollten auf Kreuzungen protestieren dürfen, gerade weil es zum Stau kommt
Die Entscheidung der Polizei, Kundgebungen auf Kreuzungen zu verbieten, kommt nicht überraschend. Die Ordnungshüter wollen für einen reibungsfreien Verkehrsfluß sorgen. Doch der Polizeipräsident scheint nicht verstanden zu haben, worum es geht: Anwohner und Initiativen wollen gegen den immer bedrohlicher werdenden Autoverkehr demonstrieren, der tagtäglich sich selbst und die gesamte Stadt blockiert. Die Polizei hat den Demonstrationszweck nicht begriffen, wenn sie glaubt, daß er anders als durch Verkehrsblockaden erreicht werden könne. Anwohner und Initiativen wollen für wenige Minuten Straßen sperren, um den gewählten Volksvertretern deutlich zu machen, daß sie es ernst meinen mit dem Protest gegen Lärm und schlechte Luft sowie der Angst um ihre Kinder. Eine Demonstration am Freitag um 17 Uhr vor einem Bezirksrathaus würde dagegen ihren Zweck verfehlen: Medien würden kaum berichten, Politiker den Protest kaum ernstnehmen.
Daß Anwohner und Verkehrsinitiativen jetzt endlich Straßenkreuzungen blockieren wollen, ist ohnehin nur der Borniertheit der Verkehrspolitiker zu verdanken. Denn demonstriert haben Eltern, Kinder, Fußgänger und Radfahrer gegen Schnellraser, Luftverpestung, Lärm und Stadtzerstörung schon oft genug — ohne daß ihnen zugehört wurde. Und ob die Polizei ihre Auflagen durchsetzen wird, soll sie Freitag erstmal zeigen — Hamburgs Innensenator ging nicht gegen Eltern und Kinder vor. Spannend ist, wie sich das Bündnis 90/Grüne, der ADFC, der VCD und andere Verkehrs-Inis zum Verbot verhalten werden. Ende letzter Woche hatten sie nicht für Blockladen mobilisieren wollen, weil sie nicht an den eigenen Erfolg glaubten. Wie ernst sie es mit ihren täglichen Presserklärungen gegen einen angeblich unfähigen Verkehrssenator meinen, können sie am Freitag zeigen. Dirk Wildt
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