KOMMENTAR: Für den 3. Oktober...
■ Wird alles wieder symbolisch: das Tor bleibt zu
Wenigstens dieser Kelch ist an uns vorübergegangen: Zum Jahrestag der deutschen Einheit, der ein gewaltiges Reminiszenz-Rauschen im Blätterwald entfacht, ist und bleibt das offizielle Symbol der Vereinigung, das »Tor aller Deutschen«, für den Verkehr geschlossen — vorerst. Dabei hatten es sich die Berliner Regierenden so hübsch ausgedacht: Die vorzeigbaren Erfolge der großen Koalition können in der schwierigen Zeit nach der Einheit nicht allzu groß ausfallen. Das vereinigte Berlin zerfällt immer noch in zwei Teilstädte und zwei Kulturen, deren Zusammenwachsen allenfalls in Äußerlichkeiten begonnen hat. Um dennoch Zeichen zu setzen, bleibt den Regierenden wenig, außer sich auf symbolische Politik zu verlegen.
Immerhin wurde darauf verzichtet, eine glanzvolle Jahresfeier zu inszenieren. Dafür ist die erste Gesamtberliner Regierung pünktlich zum 3. Oktober ins Rote Rathaus gezogen. Symbolik muß sein, und auch hier wurde der weithin grassierenden Umbenennungshysterie Tribut gezollt: Nicht mehr »Rotes Rathaus« darf es heißen, denn damit könnte man anrüchige DDR-Vergangenheit assoziieren, sondern »Berliner Rathaus« — obwohl der Backsteinbau den Namen wegen seiner Farbe trägt. Ebenfalls termingerecht werden fast ein Dutzend U-Bahnhöfe umbenannt — darunter so »ideologisch belastetete« wie der Nordbahnhof. Und in allerletzter Minute beschloß der Senat, den Abriß des Lenindenkmals einzuleiten — ohne vorherige öffentliche Diskussion. Die äußerliche Entsorgung der DDR-Vergangenheit kostet die angespannten Haushalte kaum etwas und liegt im Trend. Nur eben — das Tor. Wo das neue alte Stadtzentrum noch als riesige Fläche brachliegt, wollte man wenigstens symbolisch und verkehrstechnisch zusammenführen, was noch nicht zusammengehört. Bleibt die Hoffnung auf den 9. November: Wenn »Das Tor« schon nicht am Nationalfeiertag der Deutschen geöffnet werden kann, muß es ein anderer symbolträchtiger Tag sein. Kordula Doerfler
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