piwik no script img

KOMMENTAROlympische Botschaften

■ Olympia 2000: The medium is the message

Frohe Kunde gibt es noch immer nicht zu vermelden aus dem Olympischen Dorf Berlin, doch steht — the medium is the message — ein Troß von Spitzensportlern als Botschafter bereit. Würden sie nicht bereits berufsmäßig darüber verfügen, müßte man ihnen allen einen langen Atem wünschen. Denn ihnen obliegt es, das ceterum censeo der nächsten 20 Monate in alle Welt zu tragen: Berlin soll Austragungsort von Olympia 2000 werden. Außer durch penetrante Wiederholung dürfte sich diese Botschaft kaum verbreiten, denn was den Missionären an Rüstzeug in die Hand gegeben wird, dürfte kaum dazu dienen, die olympische Idee Berlin zu propagieren. So kann der verwunderte Berliner einem eigens entworfenen »Befürworter-Konzept« entnehmen, daß »an keinem anderen Ort der Welt sich das zukünftige friedliche Miteinander aller Menschen schon jetzt umsetzen« läßt. Auch wenn man den selbstgefälligen Unterton übergeht, überzeugt der Blick in einen beliebigen Polizeireport schnell davon, daß es mit der Umsetzung anscheinend noch etwas hapert. Das mag die Olympia-Macher kaum anfechten, widmen sie sich doch ihrer »zukunftsorientierten Aufgabe aus Verantwortung zur Geschichte«. Besser wäre es, sie würden statt dessen lediglich die Verantwortung für ihre Geschichten übernehmen. Zum Beispiel damit, daß mehr als die Hälfte der Berliner den Spielen ablehnend gegenübersteht und daß ausgerechnet ein Treuhand-Manager antritt, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Welche Wirkung mag dieses Signal im Ostteil haben? Welche Wirkung auch die penetranten Aufforderungen der Obrigkeit, sich für die »duften Spiele« (Diepgen) zu begeistern, als sei man des Begeistert-sein-Müssens nicht längst überdrüssig. Ein »positives Meinungsklima« dürfte so kaum provoziert werden, eher schon die bekannte berlintypische Antwort: »Ham S'es nich 'ne Nummer kleiner?« Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen