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KOMMENTARDiepgen & Co.

■ Der Senat streitet über das Steuerpaket, aber er bricht nicht

Arme SPD. Nackt steht sie da, als bloße Mehrheitsbeschafferin in der Firma Diepgen & Co. Wirklich peinlich. Und natürlich muß sie sich, ganz klar, über Diepgen erregen: weil er beim Steuerpoker mit Waigel auch den Einsatz verspielt hat, den ihm seine Minderheitenaktionäre glaubten nur geliehen zu haben.

Das sind die Dinge, über die die SPD sich zu Recht empört, doch die Drohung mit dem Ausstieg, mit der Walter Momper spielt, die läßt sich nur als schlechter Bluff verstehen. Die Sozialdemokraten wissen selbst, daß sie einen solchen Schritt kaum begründen könnten. Seit Rot-Grün gelten sie ihren eigenen Wählern ohnehin als unzuverlässige Gesellen. Und nun ein Koalitionsbruch wegen einer Mehrwertsteuer, die sowieso von der EG befohlen ist? Wegen zehn Mark Kindergeld mehr oder weniger? Da klingen sogar Diepgens Argumente besser, der angesichts der Milliardenlöcher im Berliner Haushalt für jedes Taschengeld dankbar ist — und der sich deshalb mit Waigel nicht überwerfen möchte.

Diepgen ist der Tagessieger. Erst in den nächsten Monaten und Jahren wird sich erweisen, auf wessen Kosten. In Bonn mag der Senatschef nun lieb Kind sein, doch bei den armen westdeutschen Bundesländern — Niedersachsen, Bremen, Saarland — steht er als Verräter da. Gleichzeitig sind sie es, die die Stadt eines Tages als Verbündete braucht — im ganz großen Verteilungskampf mit den schwerreichen Bundesländern des deutschen Südens.

Die Feinde, die sich Diepgen bei der Berliner SPD geschaffen hat, die sind im Vergleich dazu bloße Papiertiger. Womit sollte die SPD Druck ausüben, wenn nicht mit dieser Drohung des Koalitionsbruchs, die ihr ohnehin keiner glaubt? Eine Senatsklausur ist geplatzt, die große Koalition wird halten. Weil sie müssen, machen Diepgen & Co. weiter. Irgendwie. Und seit Freitag mit noch weniger Begeisterung. Hans-Martin Tillack

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