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KOMMENTARRazziamanie

■ Kneipenschließungen lösen das Drogenproblem nicht

In der Wiener Straße sind die Kreuzberger Nächte nicht mehr lang. Das ehrwürdige Casino, eine der ältesten Szenekneipen der Stadt, mußte schließen, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde. Das gleiche Schicksal ereilte auch das vis-à-vis liegende Panama. Wer in der vergangenen Woche seinen Frust über diese schmerzlichen Verluste in der ein paar Häuser weiter liegenden bronx wegtanzen wollte, stand ebenfalls vor verschlossenen Türen — nach einer Drogenrazzia wurde das Lokal ein paar Tage dichtgemacht. Das böse Wort von der Kiezbereinigung kommt den Betroffenen nun schnell über die Lippen. Tatsächlich müssen sich die Verantwortlichen im Kreuzberger Bezirksamt fragen lassen, ob die in den letzten Monaten grassierende Razziamanie tatsächlich dazu geeignet ist, das Drogenproblem im Kiez in den Griff zu bekommen. In der bronx haben hundert Polizisten insgesamt fünfzig Gramm Haschisch gefunden — wahrlich ein schwerer Schlag für die internationale Rauschgiftmafia. Es soll hier nicht bestritten werden, daß es in Kreuzberg Kneipen gibt, in denen unter der Hand auch harte Drogen verkauft werden. Im Interesse der Gastwirte ist dieser Handel kaum — schon deshalb, weil Dealerei schlecht für das öffentliche Image ist und die Strafen hart sind. Die meisten Kneipiers setzen erwischte Dealer deshalb vor die Tür, beschäftigen Kontrolettis oder schrauben blaue Glühbirnen in die Klolampen, damit die Fixer im Dunkeln ihre Venen nicht mehr finden können. Bleibt das Bezirksamt bei seiner harten Linie, werden die Kreuzberger Nächte trister — und an den Hauptumschlagplätzen Kottbusser Tor und Südstern wird es etwas voller. Ob man mit einem solchen Konzept auch künftig noch Touristen nach Kreuzberg locken kann, ist zu bezweifeln. Wenn das so weitergeht, ist es in der Wiener Straße bald so aufregend wie in der Fußgängerzone von Bonn. Aber vielleicht ist das ja auch der Zweck der Übung. Claus Christian Malzahn

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