piwik no script img

KOMMENTARKrauses Unverschämtheit

■ Der Minister kippt das Fahrverbot für Motorboote

In den Berliner Motorbootvereinen dürften die Sektkorken geknallt haben, als sie von der Entscheidung des Bundesverkehrsministers hörten, die bisherigen Fahrverbote auf den Berliner Gewässern aufzuheben. Das kleine Zuckerbrot, das Krause dem Berliner Senat als Ersatz für die alten Regelungen angeboten hat, werden die Motorbootbesitzer verschmerzen, vielleicht sogar als angenehme Unterbrechung empfinden: In dem dreistündigen Mittagsfahrverboot, das nun an Wochenenden und Feiertagen gelten soll, bleibt genügend Zeit, sich von der anstregenden Kurverei in den Morgenstunden zu erholen. Daß Krause sich gegen die bewährte Berliner Regelung ausgesprochen hat, verwundert nicht. Schließlich ist der Minister selbst begeisterter Wassersportler. Unverschämt ist jedoch seine Begründung, die neue Regelung stelle »einen ausgewogenen Kompromiß« zwischen Umweltschutz und Wassersport dar. Einmal davon abgesehen, daß es genügend Wassersportler gibt, die als Surfer, Kanuten oder Segler ebenso unter dem Lärm, dem Gestank und Geschwindigkeitswahn der Motorbootler leiden werden, stellt Krauses Entscheidung auch einen Angriff gegen Erholungssuchende dar.

In Zeiten, da immer weniger Ruhezonen für Mensch und Natur existieren, ist Krauses Verordnung ein Rückfall. Ihm deshalb Inkonsequenz vorzuwerfen, hieße, den Verkehrsminister zu unterschätzen: Seine Entscheidung für einen zügigen Straßenausbau in den neuen Ländern, sein Plädoyer für eine Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin weisen ihn als einen Mann aus, der sich eher bestimmten Interessengruppen als Argumenten zugänglich zeigt. Vielleicht haben alle Krause nur mißverstanden. Vielleicht versteht er seine Verordnung als ein Votum für Berlin, das all jene skeptischen Bonner Ministerialbeamten davon überzeugen soll, daß in der neuen Hauptstadt bürokratische Gängelungen schnell zu beseitigen sind. Damit die Berliner Gewässer so frei befahrbar sind wie der große Vater Rhein. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen