KOMMENTAR: Attacke gegen das militärische Vakuum
■ Die WEU drängt auf eine Euro-Einsatztruppe aber die UNO hat andere Pläne
Attacke gegen das militärische Vakuum Die WEU drängt auf eine Euro-Einsatztruppe — aber die UNO hat andere Pläne
Politik bedeutet nicht zuletzt, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich im rechten Moment in Erinnerung zu bringen. Spät, aber vielleicht nicht zu spät, will jetzt auch die Westeuropäische Union, eine Organisation, die seit Anfang der 50er Jahre nur auf dem Papier existiert, Truppen für „friedensschaffende Kampfeinsätze“ zur Verfügung stellen. Adressat dieses Angebots ist die zukünftige Europäische Union, die KSZE und vermittelt auch die UNO, die das Mandat für die Kampfeinsätze zur Herstellung des Friedens erteilen soll. Zwar gibt es bislang weder eine Euro- Armee (bis auf das deutsch-franzlösische Embryo), noch gar eine Armme unter dem Kommando der WEU — aber was nicht ist, kann ja noch kommen. Die UNO allerdings hat andere Pläne. Nach in New York bekannt gewordenen Informationen will UNO-Generalsekretär Butros Ghali eine militärische UNO-Eingreiftruppe unter seinem Kommando etablieren. Zum Einsatz kommen soll diese Truppe beispielsweise zur Durchsetzung eines Waffenstillstandes, mit anderen Worten „peace making troops“, also „friedensschaffende Kampfeinsätze“.
Erst vor wenigen Wochen hat die Nato ganz ähnliche Angebote unterbreitet wie jetzt die Versammlung der Außen-und Verteidigungsminister der WEU-Staaten. Sie will eine Eingreiftruppe aufstellen, die von der KSZE im Bedarfsfall angefordert werden kann, um friedenserhaltende Missionen durchzuführen. Seit dem Ende der Blockkonfrontation konkurrieren die beiden Kalte-Krieg-Organisationen Nato und WEU um die Gunst der europäischen Öffentlichkeit. Bei der Nato bleiben die USA federführend, im WEU-Rahmen setzen die Franzosen auf die Führungsrolle. Die Deutschen schwanken zwischen beiden Formationen hin und her und versuchen, Unvereinbares unter einen Hut zu bekommen. Einmal ganz abgesehen davon, daß deutsche Militärs sich erhoffen, über die eine oder andere internationale Militärformation endlich wieder weltweit mitmischen zu können, verweist die derzeitige Debatte eigentlich nur auf das vorhandene militärische Vakuum.
Ginge es allein um Sinn und Unsinn der kursierenden Vorschläge, so führte am Plan des UNO- Generalsekretärs kein Weg vorbei. Wollte man wirklich ein Instrument zur Konfliktvermeidung, -eindämmung oder -beendigung schaffen, bräuchte man keine komplizierten Strukturen, die sehr vermittelt letztlich durch die UNO legitimiert werden sollen. Man könnte Ghali geben, was er verlangt: Geld und die Verfügungsgewalt über entsprechend ausgebildete Soldaten. Gekoppelt mit einer Abrüstung der bestehenden Militärformationen wäre dies tatsächlich die Chance, eine Friedensdividende nach dem Ende des kalten Krieges einzufahren. Jürgen Gottschlich
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