KOMMENTAR: Lieber männerdominiert
■ Bündnis 90 verzichtet auf Stadträtin Dorothee Dubrau
Immer wieder bestätigt es sich, daß man Verhaltensweisen, die man politischen Gegnern vorwirft, durchaus selbst praktiziert. Lange wurde es von Linken — auch in der ehemaligen DDR — beklagt, daß vor allem Frauen Opfer der Wende sind. Wenn die Pfründe und die Stellen knapp werden und die Verteilkämpfe härter, fliegen Frauen, unabhängig von ihrer Qualifikation, als erste aus den Jobs und werden schließlich als letzte eingestellt. Das gilt erst recht für Leitungspositionen. Auch die Verwaltungen, die zu DDR-Zeiten mehrheitlich in Frauenhand waren, werden nun zusehends von Männern übernommen. Wer ist schuld daran? Natürlich der Kapitalismus und die bösen Wessis.
Kaum werden jedoch bei Gruppierungen, auf deren Zusammensetzung der Kapitalismus und die Wessis wahrlich keinen Einfluß haben, die Ämter und Stellen knapp, wird nicht anders gehandelt. Das bestätigt derzeit das Bündnis 90 in Mitte. Die Bürgerbewegten konnten bei den Kommunalwahlen 1990 durch einen nicht wiederholbaren Zufall wesentlich mehr Stadträte stellen, als sie dem Wahlergebnis nach Stimmen hatten. Damit ist es nun vorbei. Es blieb, nach »normaler« Zählweise, nur noch ein Posten zu besetzen. Und der geht — natürlich, an einen Mann. Dabei mangelt es auch hier an Frauen nicht. Das Bündnis hat mit Dorothee Dubrau eine weit über die Grenzen des Bezirks hinaus bekannte und geachtete Baustadträtin, die auch bei den anderen Parteien konsensfähig wäre. Und das Bauressort ist beim jetzigen Hauptstadt-, Immobilien- und Olympiawahn das wichtigste Amt, denn nur dort können, wenn überhaupt, die Weichen für eine menschliche Stadt gestellt werden. Aber ein Mann ist Frau Dubrau eben nicht. Doch das muß man beim Bündnis, wie auch die Stadtratsnominierungen anderer Bezirke zeigen, wohl sein — erst recht im traditionell männerdominierten Baubereich. Ob die Alternative Liste gut beraten ist, mit einer Partei zusammenzugehen, die ein AL-Essential grob mißachtet, sollte noch einmal überdacht werden.
Einen weiteren Aspekt sollte das Bündnis im Interesse der Bürger in Mitte ebenfalls bedenken: Geht das Bauressort an die PDS, so ist die Entmachtung des Bezirks durch den Senat vorprogrammiert. Denn einen PDS-Baustadtrat, der die Hauptstadtplanung mit Kohl verhandelt — das mag sich beim Senat niemand vorstellen. Eva Schweitzer
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