KOMMENTAR: Stumpfe Waffen
■ Im Bewußtsein eigener Wirkungslosigkeit: Die Kritik an der Berliner Stadtplanung auf dem Stadtforum
Zweifellos gleicht die Kritik an der Berliner Stadtentwicklung einem Ritual. Kaum sind die Widersprecher versammelt, erinnern sie sich ihres Hauptvorwurfs — der politischen Wirkungslosigkeit der planerischen Entscheidungen: Die Stadt wird täglich mehr gespalten — durch den brutal inszenierten Strukturwandel in Ost-Berlin und im Land Brandenburg, die Begehrlichkeiten der Investoren und natürlich der Bundesbehörden. Berlin befindet sich in der Hand ökonomischer Ganoven und politischer Phantasten, und das Stadtforum ist sein Traumort.
Auch auf der öffentlichen Veranstaltung des »Stadtforums« am Wochenende zum Thema »Stadtidee — Stadtgesellschaft« schien die Lust an der Chimäre des Horrors manchmal größer als die Vorstellung einer Stadtplanungsstrategie, wie die Teilung zu überwinden sei. Per Saldo schlug man zu den genannten Positionen hinzu: die Stadt ist verwahrlost wie die südliche Bronx, Bilder zur Identifikation fehlen, der innere Konsens ist unklar. Der hohe Fernsehturm muß abgerissen werden und mit ihm die halbe sozialistische Mitte. Es gibt kein gemeinsames Regionalforum, die mentalen Differenzen zum Thema »Hauptstadt Berlin« sind gewaltig. Immerhin: Wir brauchen neue Siedlungen, und die Wettbewerbe über den Stadtumbau der Mitte gehen in die nächste Runde.
Ohne Alternative verpuffen die Nörgeleien an der Stadtplanung zu Ritualen im Bewußtsein der eigenen Wirkungslosigkeit. Sie bleiben es so lange, bis der angemahnten Stadtidee und dem scheinbaren Prozeß dynamischer Selbstenthauptung Berlins ein Äquivalent aus akzeptablen Instrumenten und Planungen, Eigenverantwortung und Solidarität gegenübersteht. Gefordert ist ein gleichberechtigtes verwaltungstechnisches Reglement für die Auflösung der Länder Berlin und Brandenburg. Die Schaffung neuer administrativer und planerischer Prozesse ist nötig, damit der Verkauf und die Aneignung des öffentlichen Raumes und seine Pervertierung durch Investoren nicht zur Zerstörung der Stadt führt. Es braucht Gesetze, damit Berlin kein ordentliches Hauptstadtpuzzle, sondern eine Collage aus heterogenem Material mit flackernder Beleuchtung für Urbanität bleibt. Die Wahl der Waffen entscheidet. Rolf R. Lautenschläger
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