piwik no script img

Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON DENIZ YÜCEL ZU DEN PROTESTEN GEGEN DIE NPD Blockaden gut, Böller nützlich

Auch die für den 1. Mai geplanten Demonstrationen der NPD verhindern

Mehrere Tausend Gegendemonstranten haben am Samstag einen Aufmarsch der NPD durch Berlin-Kreuzberg verhindert. Durch ihre Blockaden verpassten die Kreuzbergerinnen und Kreuzberger Erkenntnisse wie diese eines NPD-Redners: „Unsere Kinder werden beim Schulsport als Letzte in die Mannschaft gewählt.“

Dabei verliefen die Blockaden nicht ganz gewaltfrei, was manche Medien nicht genug betonen konnten: „Krawalle bei NPD-Aufmarsch“, titelte Bild.de, „Autonome bewerfen Polizei mit Feuerwerkskörpern“, hieß es bei der Boulevardkonkurrenz von Spiegel Online, wo man zwar viel für die – keineswegs immer friedlichen – Demonstranten vom Taksim oder gar vom Maidan übrighat, ein paar Böller in Kreuzberg aber offenbar für Vorboten eines Bürgerkriegs hält.

Das ist natürlich Quatsch. Um einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern, braucht es dreierlei: eine große Menge friedlicher Gegendemonstranten, die nicht nur symbolisch, sondern ganz praktisch alle Verbindungsstraßen blockieren, ein bisschen Militanz zur rechten Zeit und eine Polizei, die keine Lust verspürt, den Nazis den Weg freizuprügeln (und dafür selbst Prügel einzustecken). Dies kam in Berlin zusammen. Denn dass den rund hundert rechtsextremen Jammerlappen ein Vielfaches an Antifaschisten gegenüberstand, hätte zwar ausgereicht, um die Veranstaltung aus „Gründen der Verhältnismäßigkeit“ abzubrechen. Doch die Polizei hielt die Nazis erst auf, nachdem an einer möglichen Ausweichroute ein paar Böller geflogen waren und Beamte mit Knüppeln und Pfefferspray reagiert hatten. Mit diesem Rezept wurden schon öfter Naziaufmärsche verhindert, im Februar in Cottbus etwa, zuvor in Leipzig oder in Frankfurt am Main. Und so werden die zum 1. Mai in Rostock, Dortmund und Berlin-Neukölln geplanten NPD-Demonstrationen zu verhindern sein.

Dennoch war dieser Kreuzberger Festtag nicht ungetrübt. Das lag aber nicht an dem bisschen nützlichen Krawall, sondern an einem Vorfall, der bekannt wurde, während die Nazis noch einkesselt an der Bezirksgrenze herumhingen: Am Vortag hatte in Kreuzberg eine Gruppe von sechs jungen Männern einen Israeli antisemitisch beleidigt und ihm ins Gesicht geschlagen. Die Täter: keine ostdeutschen Nazis, sondern deutsch-arabische Jugendliche. Für das Ziel #BerlinNazifrei gibt es auch ohne NPD viel zu tun.