KOMMENTAR VON BARBARA OERTEL ZUR DEN AUSSICHTEN EINES TREFFENS DER STAATSCHEFS VON UKRAINE UND RUSSLAND : Deplatzierte Machtdemonstration in Kiew
Keine Frage: Mit ihrem Besuch am vergangenen Samstag in Kiew hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel eindeutig an die Seite der ukrainischen Regierung gestellt. Dass sie dabei auch klare Worte an die Adresse Moskaus richtete, das ja immer noch steif und fest behauptet, mit den kriegerischen Auseinandersetzungen im Donbass nichts zu tun zu haben, ist bemerkenswert. Schließlich hat sich die Bundesregierung – nicht zuletzt auch aus Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Interessen – beispielsweise bei den EU-Sanktionen eher als Bremser denn als treibende Kraft hervorgetan. Doch jetzt scheint Berlin offensichtlich entschlossen, sein Gewicht in die Waagschale zu werfen und an einer Lösung der Krise aktiver als bisher mitzuwirken.
Die Frage ist, was der ukrainische Präsident Petro Poroschenko aus dieser Unterstützung macht – nicht zuletzt auch im Hinblick auf sein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin am kommenden Dienstag in Minsk. Greift bei Poroschenko vielleicht endlich mal die Erkenntnis Platz, dass der Konflikt im Osten des Landes mit militärischen Mitteln nicht beizulegen ist? Und dass es jetzt mehr denn je darum gehen muss, den Menschen im Donbass, die sich mehrheitlich nicht von Russland eingemeinden lassen wollen, mehr Mitspracherechte zu geben und sie so für das Projekt einer einheitlichen Ukraine zu gewinnen? Eine in Kriegszeiten denkbar deplatzierte militärische Machtdemonstration zu inszenieren und Panzer aus Anlass des Jahrestages der Unabhängigkeit in Kiew auffahren zu lassen lässt an den friedlichen Absichten der Kiewer Führung zweifeln. Genauso wie die Ankündigung, die Armee mit mehr als 2,2 Milliarden Euro aufzurüsten.
Doch alle diplomatischen Bemühungen bleiben vergebens, solange nicht auch Moskau seinen Beitrag zu einer friedlichen Lösung leistet. Dazu gehört zuallererst, jegliche Einmischung in Form von ständigen Zündeleien und Destabilisierungsversuchen in der Ukraine zu unterlassen. Das heißt nichts anderes, als den Nachschub an Waffen und Kämpfern in den Donbass zu unterbinden.
Ob der politische Wille im Kreml dafür da ist und die Moskauer Führung ihr Katz-und-Maus-Spiel wirklich beendet, wird sich vielleicht schon in der kommenden Woche zeigen. Wenn nicht, ist die Initiative Merkels zum Scheitern verurteilt.