KOMMENTAR: UTA GENSICHEN ÜBER DEN SUIZID IN ABSCHIEBEHAFT : Erschreckend wenig Achtsamkeit
Den Strick hat er sich selber um den Hals gelegt. Dabei hat dem wahrscheinlich 17-jährigen Georgier, der sich am Sonntag im Abschiebegefängnis in Hamburg erhängt hat, niemand geholfen. Aufgehalten hat den verzweifelten Flüchtling allerdings auch niemand.
Dabei waren die Hilfesignale, die David M. bereits Wochen zuvor gesendet hatte, unmissverständlich. Fast einen Monat lang nahm der junge Mann kein Essen zu sich, aus Protest gegen die Entscheidung des Hamburger Amtsgerichts, abgeschoben zu werden. Ausgezehrt muss er gewesen sein, schon nicht mehr bei Sinnen.
Laut Justizbehörde aber sollen die Mitarbeiter des Krankenhauses bei Gesprächen mit David M. keinerlei Anzeichen für Suizidabsichten erkannt haben. Das ist unglaubwürdig. Da liegt ein ausgemergelter Mann im Krankenbett, weil er die Nahrungsaufnahme verweigert. Und trotz dieser Umstände wird er nicht davor geschützt, sich selbst etwas anzutun?
Die Fehlentscheidung, den Georgier nicht besser zu beobachten, zeugt in erschreckender Weise davon, wie wenig Aufmerksamkeit hierzulande für das Befinden eines Flüchtlings erübrigt wird. Sei er nun 17 oder 25 Jahre alt, David M. muss gute Gründe gehabt haben, um aus seinem kriegsversehrten Land zu fliehen. Der Trauer und dem Tod wollte er entfliehen – gefunden hat er all das in Deutschland.