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KOMMENTAR EURO-RETTUNGSSCHIRMEMickrige Billion

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Wenn sich jeder Rettungsschirm als zu klein erweist, fällt den Finanzministern vielleicht auf, dass sie die falsche Politik verfolgen. Nur die EZB könnte für Ruhe sorgen.

D ie Eurokrise ist nicht vorbei, wie auch die EU-Finanzminister wissen. Daher verfolgen sie einen Plan, der nicht besonders neu ist: Sie wollen die Euro-Rettungsschirme ausdehnen. Im Gespräch sind offenbar Beträge zwischen 700 und 940 Milliarden Euro. Noch während die Verhandlungen zwischen den Hauptstädten laufen, ist allerdings klar: Selbst eine Billion Euro würde nicht ausreichen, um die Eurokrise zu beenden.

Denn jederzeit kann eine neue Panik auf den Finanzmärkten ausbrechen. Denkbare Anlässe gibt es genug: So könnte den Investoren auffallen, dass auch Portugal und Irland nicht in der Lage sind, ihre Schulden vollständig zurückzuzahlen. Zudem wird die europaweite Rezession dafür sorgen, dass die Defizite in Spanien und Italien stärker steigen als geplant – also werden die Banken erneut fürchten, dass auch diese beiden Länder in einen Konkurs rutschen könnten.

Sobald Investoren panisch sind, rechnen sie nach, und sie rechnen schlicht: Allein die italienischen Staatsschulden betragen rund 1,8 Billionen Euro – dagegen machen sich Euro-Rettungsschirme mickrig aus, die nur eine Billion umfassen.

Bild: taz
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Es ist also abzusehen, dass die Investoren abermals in einen Käuferstreik treten – und Staatsanleihen aus Südeuropa meiden. Dies treibt wiederum die Zinsen hoch, was eine Pleite noch wahrscheinlicher macht. Die Eurokrise steckt in einem Teufelskreis.

Einziger Trost: Wenn sich jeder Rettungsschirm als zu klein erweist, fällt den Finanzministern vielleicht auf, dass sie die falsche Politik verfolgen. Vielleicht verstehen sie dann, dass nur die Europäische Zentralbank (EZB) für Ruhe sorgen kann – indem sie Eurostaatsanleihen direkt aufkauft.

Der Charme daran: Jeder Investor weiß, dass die EZB unbegrenzt Geld drucken kann. Also würden die Finanzmärkte gar nicht erst in Panik geraten – weswegen die EZB kaum eingreifen müsste. Billiger ist eine Rettung des Euro nicht zu haben.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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5 Kommentare

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  • JO
    James Overstolz

    'Das Schweinesystem vernichtet sich selbst' - lieber Genosse, ich wollte, du hättest Recht - und das andere System stehe in den Köpfen der Menschen bereit.

    Der Spruch erinnert mich ein bischen an Russland während der Hungersnot im Kriegskommunismus nach der Oktoberrevolution. Da haben die Leute gesagt: Es gibt kein Geld mehr, wir haben den perfekten Kommunismus eingeführt.

    Es war leider sarkastisch gemeint.

     

    Trotzdem: 700 Milliarden Euro oder 1 Billion ist im Vergleich zu den 120 oder so Mrd. der Steuerzahlergarantie für die Hyporeal-Estate nicht so wahnsinnig viel.

    Wir sprechen hier über ganz Europa, über stolze, hochverschuldete Nationen wie Deutschland, Spanien etc.

     

    Und die Forderung zur 'empowerment' der EZB (so etwas in diesem Land zu fordern, zeugt von Zivilcourage, liebe Ulrike Herrmann) bedeutet nichts anderes, als die EZB in genau jene Position zu versetzen, mit der die Fed, die US-Zentralbank, gerade die USA als lender of last resort aus der größten Krise ihrer Geschichte rettet.

     

    Ich versuche gerade, meine Zustimmung zu diesem gesellschaftlich verantwortlichen Schritt mit meiner extrem wachstumskritischen Haltung zu vereinbaren - über die gerade die TAZ viel berichtet hat.

     

    Vielleicht hat Smiddely ja doch Recht: Das Ende des zerstörerischen Wachstums, die Überwindung von 'Autogeddon', der Bereicherung einiger weniger auf Kosten der Völker etc ist nur durch das endgültige Aus des Schweinesystems zu erreichen.

     

    Bier kalt stellen ist dann aber nicht mehr. So was läuft nur noch schwarz, unter der Hand, für ein paar Leute. Der Rest wird Brennesseln und Gras fressen, wie im Bosnienkrieg die Muslime in Mostar. Da sich in meinem Magen starke Schweinetendenzen verstecken, wäre das vermutlich auch das endgültige Aus von mir.

  • N
    naseweiser

    "Der Charme daran: Jeder Investor weiß, dass die EZB unbegrenzt Geld drucken kann."

    Der Charme , Frau Herrmann , hat der nicht was von Zauber an sich ? Von faulem Zauber ? Geld drucken , bis zum Mond und zurück ? Oder : Die Sintflut , die z u uns und nicht n a c h uns kommt ?

    Fragen ...

  • H
    Hans

    Das beste Mittel gegen die Euro-Krise ist Wachstum und stabile, besser wachsende Beschäftigung. Alles andere ist nur hin- und herschieben von Schulden, Verantwortung und Ratings. Nur wer verdient, kann auf Dauer zahlen.

  • S
    smiddely

    Das sehe ich soweit ähnlich. Bleibt jedoch abzuwarten, ob vor dem Zusammenbruch weiterer Euro Staaten den Investoren auffällt, dass die USA ebenfalls zahlungsunfähig sind.

     

    Der Tag ist nah Genossen. Das Schweinesystem vernichtet sich selbst. Stellt das Bier kalt.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Schon wieder dieser selbsterfüllende Prophezeiungsmythos. Dafür gibt es keine Belege; ganz im Gegenteil: Italien hat ein ernsthaftes Reformprogramm begonnen und seine Zinssätze sind gesunken; Spanien hat dasselbe getan und hat danach desaströse Zahlen präsentiert und sie benutzt, um über die vereinbarten Defizitziele zu feilschen (wie im letzten Jahrzehnt, als der Stabilitätspakt ignoriert wurde), was die bereits gesunkenen Zinssätze für span. Staatsanleihen wieder in die Höhe getrieben hat -- über die Sätze für italienische Anleihen!

    Die erwähnte "Rettung" wäre übrigens überhaupt nicht billig, sie birgt die Gefahr für Inflation (durch Erhöhung der Geldmenge und durch Erhöhung der Inflationserwartungen). Und