KOMMENTAR: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER WAHLRECHTSEFFEKTE : Ein Korrektiv der Listen
Wer gehofft hatte, das neue Wahlrecht würde die Beteiligung erhöhen, wird enttäuscht sein: Sie ist zwar nicht so dolle eingebrochen wie in Hamburg, wo nach dem gleichen Modell zehn Kreuzchen zu vergeben sind. Sie hatte aber in Bremen schon vorher deutlich niedriger gelegen.
Durchs Wahlrecht diesen Abwärts-Trend zu stoppen, war aber auch eine überzogene Erwartung. Schließlich bleibt, neben einem themenarmen Wahlkampf die soziale Spaltung der Stadt die gravierendste Ursache fürs Nichtwählen. Beides aber lässt sich auch durchs beste Wahlrecht der Welt nicht heilen. Voll entfaltet es seine Stärken hingegen als Korrektiv der Listen: So bestraft es erkennbar die Versuche, parteiinterne Zänkereien machtpolitisch zu erledigen, statt gemeinsame Lösungen zu entwickeln: So darf die Bürgerschafts-CDU sich vor allem Anfang der Aufgabe widmen, ein Arbeitsverhältnis zwischen Claas Rohmeyer und Thomas Röwekamp herzustellen. Und die Linksfraktion muss die Gräben zwischen Peter Erlanson und Klaus-Rainer Rupp überbrücken.
Ohne wechselseitige Toleranz funktioniert Demokratie nicht. Und das neue Wahlrecht trainiert Abgeordnete in dieser Kernkompetenz: Wenn sich da Lernerfolge einstellen, wird vielleicht sogar das Wählen selbst attraktiver.