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KOMISCHE VÖGEL

■ „Birds“ als Stattmusik in der Kuno-Fischer-Straße 15

Kulturell gesehen möchte man schon manchmal mit einem akustischen Maschinengewehr reinhalten in die anonymen Hinterhoffenster, aus denen Sprüche kommen wie „hoffentlich hört das Gejaule da unten bald auf“ und „gleich rufe ich Eins Eins Null“.

Dabei war das sogenannte „Gejaule doch nichts weiter als die Fortsetzung des Vogelgezwitschers, das Andrzej Mitan im Rahmen seiner Performance in dieser Oase direkt am Lietzensee von der mitgebrachten Platte abspielte, nachdem er sie aus der vergitterten Plattenhülle mittels einer Drahtschere befreit hatte. Es war wirklich nichts weiter zu hören als eben ein paar Vogelstimmen, die sich mischten mit Lauten, die eher Walgesängen zuzuordnen waren, ein paar vom See herüberquakenden Enten, dem Krächzen einer einzelnen Krähe, dem Pfeifen eines Tegel ansteuernden Aeroplanes und dem stummen Staunen des andächtigen Publikums, das aufmerksam dem Akteur zusah, wie er die Platte öffnete und sie einem Mitarbeiter gab, der sie dann abspielte.

Als die A-Seite ihren Zweck erfüllt hatte, trat Andrzej Mitan vors Mikrophon und sang in gutturalen Lauten höchst selten laut, meist also leise klagend Weisen, die man als Vogelliebhaber kennen muß, will man sich nicht damit zufrieden geben, den Vögelchen idiotische Sprüche beizubringen, sondern eher mit ihnen zu kommunizieren über das Leid der Vogelwelt, wenn mal wieder ein Junges aus dem Nest gefallen ist, über die Freuden beim Eierlegen, wenn dabei nichts kaputt gegangen ist, über die böse Katze, die zu gerne junge Vögel stiehlt, über die dahingeschiedenen Arten, denen der Mensch ganz und gar nicht den Garaus gemacht hat mit den Zwillen. Es ist mithin meist ein trauriges Gespräch, das so zur Aufführung gelangte, und das hat sicher mit dem Ort zu tun, im Freien bei hereinbrechender Dunkelheit, in der sich Papageienvögel, die ursprünglich ihre Töne original dazu beitragen sollten, vor Verkühlung von der Stange fallen würden.

Und wir wollen doch die Tiere in der guten Stube lassen, wo sie mit Fernsehgebäck gemästet werden, wo Herrchen und Frauchen sie in Käfigen halten, wenn sie nicht wollen, daß Hansi ihnen das ganze Zimmer vollscheißt.

Aber die Schreie gehörten ja sowieso nicht zum Programm von „Birds“, die uns die Gewißheit brachten, daß es in der weiten Welt viele Vögelstimmen zu beobachten gibt, die unvergleichbar schöner Gurren als die „Ratten der Lüfte“, die die Arbeitsplätze der Stadtreinigung sichern helfen.

Qpferdach

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