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Archiv-Artikel

KOALITION DER WILLIGEN (3): BERLIN WIRD FÜR WASHINGTON WICHTIGER Merkel kann sich nicht länger drücken

Das Brimborium um die neue transatlantische Harmonie, die seit dem Amtsantritt Angela Merkels zelebriert wird, musste längst stutzig machen. Denn für die Frage, was sich seit dem Irakkrieg so fundamental auf der deutschen oder der US-Seite verändert habe, blieb bei so viel Euphorie keine Zeit. Außenministerin Condoleezza Rice hat die ungestellte Frage jetzt für die USA beantwortet. Mit der Androhung, auch gegen den Iran im Zweifelsfall auf eine „Koalition der Willigen“ zurückzugreifen, zeigt Rice, dass weder ein Veto im UN-Sicherheitsrat noch kriegsunwillige Verbündete Bush von seinem Kurs abbringen können.

Für die Bundesregierung ist dies bedrohlich. Die politische Unterstützung Deutschlands dürfte für Washington noch bedeutender werden, nachdem Bushs treue Waffenbrüder in Madrid und Rom abgewählt sind. Und ungemütlich wird es für die Bundesregierung auch, weil es bislang ihr oberster Grundsatz im Konflikt um das iranische Atomprogramm war, nichts zu unternehmen, was einen Konsens unter Einbeziehung der USA hätte gefährden können. Dabei hält auch die Bundesregierung eine friedliche Einigung ohne direkte Gespräche zwischen Washington und Teheran inzwischen für illusorisch. Für falsch hält sie eigentlich auch die Maximalforderung der USA nach einer vollständigen Aufgabe der iranischen Urananreicherung. Doch das Dogma der transatlantischen Einigkeit stand einem Politikwechsel bislang im Weg.

Jetzt hat nicht die Bundesregierung, sondern Condoleezza Rice das so hoch gehaltene Prinzip eines gemeinsamen Vorgehens einseitig aufgekündigt. Die Bundesregierung wird deshalb nicht mehr darum herumkommen, endlich eine eigene Position zu formulieren. Entweder sie folgt wieder besseres Wissen dem Kurs der USA. Das heißt in letzter Konsequenz auch, dass sie die Verantwortung für Luftangriffe auf den Iran tragen muss. Oder sie macht der Bush-Regierung frühzeitig klar, dass sie den Konfrontationskurs nicht länger mittragen wird. Vor dieser Entscheidung kann sie sich nicht länger drücken. ERIC CHAUVISTRÉ

Der Autor ist Mitarbeiter in der Linksfraktion im Bundestag