KLAUS-HELGE DONATH ÜBER RUSSLANDS ZUNEHMEND REPRESSIVE POLITIK : Angst vor der Freiheit
Russland schottet sich in rasantem Tempo weiter ab. Präsident Wladimir Putin unterzeichnet das Gesetz über „unerwünschte Organisationen“, das ausländischen NGOs in Russland jederzeit die Arbeit verbieten kann. Illusionen sind fehl am Platze. Ein für allemal will Moskau den Kontakt zu Initiativen kappen, die sich Freiheit und Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Doch nicht der Westen in toto ist Adressat. Tatsächlicher Gegner des Gesetzes ist Russlands Zivilgesellschaft. Es ist die Angst vor der Freiheit der anderen, die den Kreml treibt. Die Furcht vor einem Subjekt, das sich Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit verpflichtet fühlt und den Mut auch im Angesicht erdrückender Übermacht nicht verliert. Das treibt die machthabenden Zyniker um.
Doch in Russland steht längst Zivilität als solche auf dem Spiel. Nach der Niederlage im Eishockey-WM-Finale verließ das russische Team das Feld noch vor dem Abspielen der Hymne des kanadischen Siegers. Ein Minimum an Regeln und Respekt wird nicht mehr eingehalten. Demnächst könnte schon als Verräter gelten, wer dem Sieger noch Achtung erweist, meinte einer der wenigen schockierten Beobachter.
Angesichts dieser Entwicklung ist das Einreiseverbot des CDU-Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann zwar eine unschöne Geste, aber nicht viel mehr als eine Retourkutsche für westliche Sanktionen. Auch russische Politiker müssen in der EU und den USA vorerst draußen bleiben.
Im russischen Rechtsverständnis, das auf der Prämisse des ewigen Opferstatus fußt, ist dies nichts anderes als die Wiederherstellung von Gerechtigkeit. So erklärt sich Russland auch die Annexion der Krim. Da treffen zwei Welten aufeinander, die mehr trennt als nur abweichende Rechtsauslegungen.
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