KINDERRECHTSKONVENTION: DIE VORBEHALTE DER LÄNDER MÜSSEN FALLEN : Schulversager Föderalismus
Sie sollen Komplizen sein. Lehrer und Rektoren, die in einem Akt zivilen Ungehorsams statuslose Kinder in ihren Schulen mitlernen lassen, werden zur Denunziation aufgefordert. Ein Dutzend Bundesländer zwingt die Pädagogen mehr oder weniger offen, die „Sans papiers“ und ihre Helfer bei den Behörden zu verpfeifen. Man will der Kinder habhaft werden, um sie vom Unterricht fern zu halten – oder sie mit ihren Eltern aus dem Land zu werfen. Das ist keine bittere Reminiszenz an braunen Terror, sondern, leider, höchst aktuell: Es ist heute die Situation von illegal in Deutschland lebenden Menschen – und ihrer Kinder.
Ganz harte Typen werden jetzt einwenden, es sei nun mal der Status Rechtloser, dass sie keine Rechte haben. Aber das ist nicht nur zynisch, sondern auch falsch. Denn die Bundesrepublik hat in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen anerkannt. Sie gewährt unter anderem jedem Kind Zutritt zu Bildung – egal welcher Herkunft die Kinder sind oder welchen Status sie haben. Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, reist auch deswegen durch die vermeintliche Bildungsnation: um zu fragen, wie Deutschland mit rechtlosen Kindern umgeht und mit den Verträgen, die es unterzeichnet hat.
Wer dem Zivilrechtsprofessor Muñoz rät, besser in vorzivilisatorischen Ländern nach dem Rechten zu sehen, dem sei die deutsche Ratifizierungsgeschichte der UN-Kinderkonvention zur Lektüre empfohlen. Darin kommen demokratisch bedeutsame Institutionen wie der Bundestag, der Bundesrat oder die Vereinten Nationen vor – alle mit derselben Forderung: Die Bundesländer mögen endlich ihre Vorbehalte gegen die Konvention aufgeben, damit die Rechte von papierlosen und Flüchtlingskindern verwirklicht werden können, die die Bundesrepublik längst anerkannt hat.
Das Studium der Kinderrechtskonvention wirft zugleich ein grelles Licht auf die Schwachstellen des Föderalismus. Er versagt immer dann, wenn er, verdammt noch mal, funktionieren sollte: wenn Fleisch gammelt, wenn Pandemien drohen oder wenn die Polizei Flüchtlingskinder aus dem Unterricht holt, um sie abzuschieben. CHRISTIAN FÜLLER