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KASCHMIR: DIE AUSSENMINISTER VON USA UND EU VERMITTELN EIN WENIGEngagierte Vielflieger

Westliche Staaten warnen ihre Bürger vor Reisen nach Indien und Pakistan, doch für ihre eigenen Minister gilt das offenbar nicht. Der amerikanische Außenminister Colin Powell befindet sich auf seiner dritten Mission in den Subkontinent, enenso viele hat auch sein britischer Kollege Jack Straw absolviert. Javier Solana von der Europäischen Union, der vor zwei Tagen in der Region war, steht ihnen mit zwei Abstechern kaum nach, und nun wird auch noch der französische Außenminister seinen Teil zur Friedenssicherung beitragen.

Als Begründung für die hektische Reisediplomatie prägte ein Sprecher des State Department nun den Begriff „Continuing Engagement“. Dazu gibt es allen Grund: In Kaschmir stehen sich die Armeen der beiden Atommächte schwer bewaffnet gegenüber – islamistische Selbstmordattentäter können jederzeit eine Eskalation auslösen. In April und Mai, als sich eine solche Drehbuchsituation entwickelte, gelang es dank intensiver Pendeldiplomatie, das Schlimmste zu verhindern. Pakistan verpflichtete sich, den Terrorexport einzustellen, Indien machte erste vertrauensbildende Schritte.

Doch im vergifteten Klima des Subkontinents vermochten solche Gesten den Eskalationsprozess nicht umzukehren. Der pakistanische Präsident Musharraf mag in Bezug auf sein Engagement in Afghanistan soldatischen Mut bewiesen haben – wenn es um Kaschmir geht, kann und will er nicht über seinen Schatten springen; dafür hat dieser Konflikt seit 50 Jahren die bilateralen Beziehungen zu sehr belastet. Dasselbe gilt für Vajpayee. Die Angst, dass ein freies oder gar pakistanisches Kaschmir den Vielvölkerstaats Indien langfristig gefährden würde, lähmt nicht nur seine nationalistische BJP, sondern auch Koalitionspartner und Oppositionparteien.

Die Westmächte müssen also wohl oder übel ihre Vertreter weiterhin nach Delhi und Islamabad schicken, auch wenn sie dort – wie am Wochenende wieder – mit den immer gleichen Aussagen abgespeist werden, sobald sie das Wort „Annäherung“ in den Mund nehmen. „Ich habe genug getan“, sagt Musharraf. „Es genügt noch nicht“, antwortet Vajpayee. So frustrierend dieser Refrain für die Vielflieger sein mag, so wichtig ist es, ihn ständig wiederholt zu bekommen. Er schafft eine Gesprächssituation, die zwar wenig zur dauerhaften Lösung des Konflikts beiträgt, die aber beide Streithähne über Drittparteien in einem Netz von Versprechen und Friedensbeteuerungen fest bindet. Zum Handschlag mag es noch nicht reichen, aber zumindest lösen Vaijpayee und Musharraf den Finger vom Abzug. BERNARD IMHASLY

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