: KAM, SAH UND SIEHSTE
■ Eine Ausstellung von Franz Blaas in der Galerie „Neue Räume“
Angesichts postmoderner Ausdrucksmittel, die nun auch in der Kunst/Theorie auf dem Vormarsch zu sein scheinen (die auf Video visualisierten Solarskulpturen von Jürgen Claus dürften einen momentanen Höhepunkt des Trends darstellen), könnte die einfache Schwarzweiß-Zeichnung als ursprüngliche, individuell lesbare Ausdrucksform bestechen.
Zeichen an der Wand, die zuweilen aus dem Rahmen fallen (sollen), zeigt der Österreicher Franz Blaas in der Galerie „Neue Räume“. Auf den kleinformatigen Kohle- und Graphitzeichnungen erkennt man immer wieder Fratzen, glupschäugige Gesichter, verrenkte Körper, eckige Tierköpfe, Chiffren, die an Höhlenmalerei erinnern oder aber moderne Karikaturen sein könnten. Akademische, perfektionierte Ausdrucks- und Darstellungsformen werden bewußt ignoriert: die auf Flohmärkten zusammengesuchten Holzrahmen haben oft nicht das passende Format oder das, was sie vordem enthielten, wird nicht einfach weggeschmissen. Gebügelte Strohsterne auf schwarzem Filz, Folklore-Kitsch, Produkte aus der Bastelstunde erhalten ihren Platz neben den Bildern des Künstlers, die nie in Reih und Glied hängen, sondern entweder zentriert an einer Stelle der Wand oder vom Boden bis zur Decke angebracht sind.
Aber auch andere Fundstücke, zum Beispiel bunte Knöpfe, werden an einer Wand arrangiert, korrespondieren in Farbe und Form mit den gezeichneten Figuren oder den kleinformatigen Fotos, auf denen neben den Selbstdarstellungen die menschliche Pose als Thema aufgegriffen wird. Ein Mädchen, die Nichte „Denize“, dreht und wendet sich vor Weinlaub oder steht, rein zufällig, da wie einer der Erzengel im Petersdom - vermeintliche Künstlichkeit als exponierte Natürlichkeit?!
An der größten, zentralsten Wand Zeichnungen und Bilder, die von weitem spontan an Eduard Munch erinnern. Kontrastierende Hell-Dunkel-Flächen, in denen die typische Formensprache des Norwegers zu erkennen ist. Nähert man sich jedoch den Bildern, löst sich die psychische Dichte, die Bedrängnis, das Schwarze und Dunkle auf und die innersten Tiefen entpuppen sich eher als seelische Nicht-Schwimmer -Zonen, das scheinbar Introvertierte erstarrt zur lapidaren Chiffre.
Der Geruch von geräuchertem Speck bringt den Betrachter wieder auf sicheren Boden. In einer Nische hängt auf Kopfhöhe ein runder Spiegel mit verziertem Goldrand, daneben ein fast unterarmgroßer Speck, aus der Heimat originalgeräuchert, das Stilleben trägt den Titel „maniristisches Manifest“ und soll Dürer zitieren.
Unbeschwertheit ist angesagt bei der Fotoreihe „ein leichter Sommerwind“, ganze heiter weht ein heller Vorhang eingerahmt von Knöpfen - in ländlicher Idylle. Wie hat Österreichs Kunstpapst „Ossi“ Oberhuber neulich so treffend verlauten lassen: „Kunst bleibt, zwar durch die Medien enthroniesiert, Reproduzent geistiger und sonstiger Inhalte“. Sic!
Daniela Kloock
Bis 12.Januar in der Galerie „Neue Räume“. Lindenstraße 39, 1-61. Öffnungszeiten: Di-So 17-2 Uhr
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