KAI SCHÄCHTELE WUTBÜRGER : Die Hände weg vom Türgriff!
Es gehört zum Lauf der Dinge, dass manches, von dem man glaubte, es sei immer da gewesen und werde nie verschwinden, früher oder später untergeht. Man nennt das Evolution. Und vielleicht werden Historiker in einigen Jahrmillionen, wenn sie in Bernstein eingefasste Autokarosserien finden, zum Schluss kommen, dass das Ende des Automobils mit der Einführung automatischer Autotüren begann. Sie ist die sinnloseste Erfindung, seit Carl Benz im Jahr 1886 auf seinem „Patent-Motorwagen Nummer 1“ durch Mannheim tuckerte.
Als ich mich neulich in einem Nachfolgemodell des Patent-Motorwagens zum Flughafen bringen ließ, brachte ich einen Taxifahrer nahe an den Kollaps. Ich wollte in das Großraumtaxi einsteigen und hatte die Finger schon am Türgriff. Da sprang er vom Fahrersitz. „Niiiicht!“, schrie er. Als ich nach dem Warum fragte, rief er: „Ist Automatik.“ Erst da sah ich den Aufkleber, der in Versalien darauf hinwies, dass DIE TÜR NICHT VON HAND ZU ÖFFNEN sei. Es ging gerade noch einmal gut. Der Mann drückte einen Knopf, sanft schnappte die Tür aus dem Schloss. Während der Fahrt sprach er kein Wort. Er schien nervlich am Ende.
Ich kann ihn ja verstehen. Wahrscheinlich kostet es jedes Mal ein paar hundert Euro, wenn jemand die Automatik durch rigoroses Auf- und Zuziehen zerstört. Es ist ein Kreuz mit diesem Leben: Alles würde reibungslos funktionieren, wenn nicht immer der Mensch dazwischenkäme. Warum also lässt man sich bei Daimler so etwas einfallen: eine Technologie, die etwas ersetzt, was man genauso gut selbst erledigen kann, und die die Leute in solchen Aufruhr versetzt? Ein Anruf liefert Erhellendes. Dort heißt es, Automatiktüren seien ein „Komfortinstrument“. Demnächst werde es sogar serienmäßig eine Technologie geben, bei der man den Kofferraum allein mit der Bewegung des Fußes unter dem Auto öffnen kann.
Ich kann für die Nerven seines Fahrers nur hoffen, dass ich bei der nächsten Fahrt nicht in ein solches Taxi steigen muss. Aber vielleicht ist das Automobil bis dahin ja schon ausgestorben.
■ Hier wüten abwechselnd Kai Schächtele und Isabel Lott