Juventus Turins Rückkehr: Mentaler Hammer
Juventus ist unter Antonio Conte zurück an die Spitze gestürmt. Das Gebaren des Klubchefs erinnert indes an die alte Arroganz des Rekordmeisters.
TURIN taz | Juventus ist zurück. Sportlich, mental und infrastrukturell ist der Rekordmeister derzeit eine Macht. Als einzige Mannschaft der Serie A sind die Bianconeri ungeschlagen und führen nach Siegen über die Mailänder Klubs und das Miro-Klose-Überraschungsteam Lazio die Tabelle an.
Das ist vor allem das Verdienst des Trainers. Als "Hammer" bezeichnen hiesigen Zeitungen gern den stoischen Exkapitän der alten Juve, der mit strengem Regiment ein neues Leistungsdenken etabliert hat. "Wir kommen von zwei siebten Plätzen", pflegt Antonio Conte zu knurren, wenn ein Spieler sich auf dem bisher Erreichten einzurichten gedenkt.
Auf der Rückfahrt vom schwer erkämpften Unentschieden in Neapel an diesem Dienstag verbot er seinen Spielern sogar ein gemeinsames Triumphessen. Gefuttert wird zu Hause und dann geht es wieder an die Arbeit, lautete sein Befehl.
Die Spieler - immerhin erwachsene Männer mit Millionärsgagen (nur 5 der 27 Akteure haben ein sechsstelliges Jahressalär) - hören brav darauf. Sie haben nicht nur kapiert, dass Conte - der als Spieler mit Juve Champions League, Weltpokal und fünf Meistertitel holte - eine Rückendeckung vom Verein genießt wie kein anderer Trainer nach dem Zwangsabstieg. Ihnen ist auch bewusst, dass Conte sie besser macht.
"In den letzten Jahren hätten wir so eine Partie verloren", gaben sie nach dem 3:3 in Neapel offen zu. 0:2 und 1:3 lagen sie in San Paolo zurück, wo die Bayern auf dem Zenit ihrer Formkurve nur ein Unentschieden erreichten und die Petrodollar-Champions von Manchester City niedergerungen wurden. Aber Juve, angestachelt von Contes Schlachtruf "Uccidere o morire" (töten oder sterben), gab nicht auf.
Nicht nur mental hat der Hammer die Mannschaft runderneuert. Er brachte ihr auch One-Touch-Kurzpassspiel bei und kombiniert dies mit den weiten und präzisen Schlägen des wiedererstarkten Genius Andrea Pirlo.
Weil alles so prima klappt, springen die Alten mit Lob herbei. "Diese Juve erinnert mich an die meine", tönte Marcello Lippi. Englands Coach Fabio Capello hält seinen Exverein wieder für einen Titelfavoriten.
Als weiteres Plus für Juventus führte er das neue eigene Stadion an. "Die Tifosi fühlen sich dort so wohl, dass niemand von ihnen auf die Idee kommen würde, auch nur einen Stuhl dort zu ramponieren", meinte er. Für italienische Verhältnisse bedeutet das eine ganze Menge.
Den Betrugsskandal neu aufrollen
Die Rückkehr in die Führungsetagen des nationalen Fußballs stachelt nun aber auch die Vereinsführung an, die juristische Aufarbeitung des Betrugsskandals noch einmal neu zu justieren. Nachdem Ex-Juve-Manager Luciano Moggi zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt wurde, machte der aktuelle Juve-Präsident Andrea Agnelli in ihm dem Hauptschuldigen aus. Er bescheinigte seinem Verein eine "totale Unbeteiligtheit" an den Machenschaften und stilisierte ihn zum Opfer.
Er fordert jetzt die beiden aberkannten Titel zurück und drängte seine Anwälte zu einer Schadensersatzklage in Höhe von 443.725.200 Euro zu Lasten des Verbandes FIGC. Seine Offensive führte immerhin zu einem sogenannten Friedenstisch.
Das Coni (das NOK Italiens), der Fußballverband FIGC und die Vereinspräsidenten von Juve, Inter, Milan, Florenz und Neapel werden sich am 14. Dezember zu einer offiziellen Kungelrunde treffen, dessen spannendstes Ergebnis sein wird, ob damit tatsächlich Urteile von Sport- und Strafgerichten gekippt werden können.
Erfolgscoach Conte ging hier auf leise Distanz zu seinem Arbeitgeber. "Wir bauen an der Zukunft von Juventus, Agnelli kümmert sich um die Vergangenheit", sagte er. Gut möglich natürlich, dass der oberflächlichen Differenz auch die Devise "Getrennt marschieren, vereint schlagen" zugrunde liegt. Gut möglich aber auch, dass Agnelli den Bogen überspannt und Juventus den gerade auf dem Rasen errungenen Sympathiebonus wieder verspielt.
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