Justin Timberlake in Köln: Musterschüler der Pop-Musik

Weniger Selbstbespiegelung wäre mehr gewesen: Justin Timberlake beginnt seine Konzertreise durch Deutschland in Köln.

Justin Timberlake beim Tourauftakt in Köln. Bild: Marius Becker/dpa

Den großen Auftritt beherrscht Justin Timberlake perfekt. Als Schatten wird er am Sonntag auf die Bühne der ausverkauften Kölner Lanxess Arena projiziert, die Hände greifen an die Hemdsärmel, um die Manschettenknöpfe zu schließen. Dann flackern die Scheinwerfer kurz auf und schließlich steht er alleine auf der Bühne. „Oooh, little Baby“, haucht er ins Mikrofon. Kreischen.

Die Musik setzt ein, die Band spielt ein Medley aus „Pusher Love Girl“ und „Rock your body“, während sie aus dem Bühnengraben hochgefahren wird. Justin wandert nach vorne, singt, pausiert. Kreischen. Er pausiert wieder – zehn, zwanzig Sekunden lang. Noch mehr Kreischen. Hier bin ich, Justin Timberlake, und diese Bühne gehört mir. Heute Abend. Zwei Stunden lang.

Zeitgleich läuft im Fernsehen „In Time“, ein Science-Fiction-Film mit Timberlake in der Hauptrolle. Im Film altern die Menschen ab 25 nicht mehr, müssen jedoch ihre restliche Lebenszeit Minute um Minute hart erarbeiten. Justin Timberlake hat sich schon einige Verlängerungen seiner Zeit als Popstar ertanzt: vom Disney-gestählten Boyband-Bubi zum futuristisch-digitalen-R&B-Sexidol und von dort aus zum Younger Statesman der Abendunterhaltung.

Mit Tom-Ford-Anzug und frisch pomadiertem Haar ist er der unangefochtene Star des Abends. Seine Band „The Tennessee Kids“ ein 15-köpfiges Ensemble aus Bläsern, Backgroundgesang und zwei Keyboard-Burgen, das ebenso gut swingen wie tanzen kann, bleibt virtuos und gesichtslos. Die Musiker verwandeln den digitalen Sound seiner frühen Soloalben mit ihren am Computer präzise geschnittenen und synkopierten Beats in komplexe Arrangements mit Soul-Authentizität.

Auf Kommande gejubelt

Bei „Señorita“, seinem Hit von 2002, steht Timberlake persönlich an der Hammondorgel, um im Call-and-Response-Modus erst mit den „Damen“ und dann mit den „Guys“ zu schäkern.

Trotzdem – so richtig warm werden Justin Timberlake und seine Fans heute Abend nicht. Sicher, die Klappsitze in der Kölner Lanxess Arena werden kurz nach Konzertbeginn hochgeklappt. Wenn Justin Timberlake es vormacht, streckt ihm die ganze Arena die Hände entgegen. Auf Kommando gejubelt wird sowieso. Nur ohne Aufforderung bleibt das Publikum still. „Die Stimmung ist nicht so toll“, meint meine Sitznachbarin. „Die Leute vorne gucken nur auf ihre Smartphones.“

Vielleicht ist auch Timberlake selbst nicht ganz unschuldig daran. Schließlich ist seine Bühnenshow bis ins Letzte durchgeplant. Selbst als er sich eine kurze Auszeit zum Plausch mit dem Publikum nimmt, wirkt es einstudiert. „Das ist die Scheiße“, sagt er, um seinen Publikum ein Kompliment zu machen und schiebt ein „Supergeil“ hinterher. Warum das alles wie aus dem „Lexikon der Jugendsprache“ klingt, wissen nur Timberlake und sein PR-Team.

Wobei selbstverständlich nicht das Einstudierte das Problem ist, sondern die Hastigkeit, mit der Timberlake durch seine Inszenierung hechelt. Jede Atempause füllt er mit einem seiner Signatur-Tanzschritte. Timberlake knickt ganz sanft mit den Knien ein, dreht sich ein wenig, schwingt zackig die Hüfte, bevor wieder ein wenig Beinarbeit folgt.

In diesen Momenten werden die Quellen der Zitatmaschine Timberlake deutlich. Anzug und Big Band nimmt er vom Rat Pack, die Tanzschritte von Elvis und Michael Jackson. Das alles ist fehlerfrei vorgetragen, aber auch eine Übung in Selbststilisierung, die sich in der Weite der Lanxess Arena verliert. Wo Beyoncé und Lady Gaga ihre Fans mit dem Gefühl zurücklassen, dass „ihr“ Star heute Abend nur für sie spielt, sagt Timberlake den Kanon von Pop-Musik wie ein Musterschüler auf.

Am schönsten der Abschied

Bei der Kontaktaufnahme hilft Timberlake die Technik. Mitten in der zweiten Showhälfte hebt sich ein Bühnenelement empor, auf dem Timberlake und die Tänzer durch die Halle fahren. In diesen Momenten ist er selbst den Oberrängen am anderen Ende der Halle ganz nah. Auf der Akustikgitarre covert er „Heartbreak Hotel“ von Elvis und „Human Nature“ von Michael Jackson, bevor er in „What goes around … comes around“ den eigenen Liebeskummer besingt.

Allmählich steht das Showfinale an. Timberlake und seine Band covern „Jungle Boogie“ von Kool & The Gang, setzen in „Suit and Tie“ zur Tanzeinlage an, bevor ein paar Streicher seinen aktuellen Hit „Mirrors“ ankündigen. „My mirror staring back at me“, singt Timberlake dort, und er hat Recht.

Timberlake Tour: 24. 4. und 6. 6. in Berlin; 4. 5. in Hamburg, 8. 6. in Frankfurt

Auch wenn seine Fans zum Abschluss dahinschmelzen: Ein bisschen weniger Selbstbespiegelung hätte dem Abend gut getan.

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