: Juristischer Kleinkrieg eröffnet
Diese Woche will die Bundeswehr in Köln ein öffentliches Gelöbnis feiern. Friedensgruppen wollen mit Klagen vor Gericht der Truppe die „Eroberung des zivilen Raums“ so schwer wie möglich machen
VON DIRK ECKERT
Mit einer einstweiligen Verfügung versuchen Friedensgruppen, das für Mittwoch geplante öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Kölner Dom doch noch zu verhindern. Das „Kölner Bündnis gegen Militärspektakel“ will Formfehler der Kölner Stadtverwaltung ausgemacht haben. Unter anderem seien die Demonstrationen gegen die Bundeswehr schon im Juli angemeldet worden – lange, bevor die Stadt die Bundeswehrfeierlichkeiten genehmigt hätte.
Am 21. September werden aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Bundeswehr rund 1.300 Soldaten in der Kölner Innenstadt erwartet. Morgens um 10 Uhr findet im Dom ein Soldatengottesdienst statt. Um zwölf Uhr leisten 280 Rekruten beim öffentlichen Gelöbnis ihren Diensteid. Dann folgt ein Konzert der Bundeswehr vor dem Rathaus, wo die Truppe um 18 Uhr offiziell empfangen wird. Mit dem Großen Zapfenstreich vor dem Dom endet der Tag.
Friedensaktivisten aus Köln und Bonn wollen mit lautstarken Protesten die „ehrfürchtige Stille“ brechen und „karnevalistische Verhältnisse“ einkehren lassen. Die Bundeswehr begebe sich mit der Wiederbelebung „religiös überhöhter militaristischer Rituale“ bewusst in die unselige Tradition der NS-Wehrmacht, kritisierte das Bonner Netzwerk Friedenskooperative. Per Gericht wollen die Kriegsgegner durchsetzen, auch vor dem Dom demonstrieren zu dürfen, um der „Eroberung des zivilen Raums“ durch die Bundeswehr etwas entgegenzusetzen. Der Polizei werfen sie vor, die Versammlungsfreiheit einzuschränken.
„Ich hoffe, dass die Veranstaltungen ohne Störungen durchgeführt werden kann“, sagte dagegen Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) letzte Woche bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Inspekteur der Luftwaffe, Klaus-Peter Stieglitz. Die beiden verteidigten auch den Termin des Gelöbnisses, das am Internationalen Friedenstag der UNO stattfindet. Das sei „wirklich ein Zufall“, befand Schramma und verwies auf den Kölnmarathon, der ja auch am 11.9., dem Jahrestag der Anschläge in den USA, stattgefunden habe. Einen Widerspruch zum Friedenstag wollten weder er noch Steglitz sehen, im Gegenteil: „Es passt sogar“, befanden beide. „Das Datum des Gelöbnisses erinnert uns daran, dass der Dienst in der Bundeswehr ein Friedensdienst ist und immer sein muss“, sagte Schramma.
Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz eine Klage von über 40 Einzelpersonen gegen den Großen Zapfenstreich abgelehnt. Die Kläger, unter ihnen viele Theologen, sahen sich durch das Militärritual in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Das Gericht solle den Zapfenstreich verbieten oder der Bundeswehr wenigstens die Verwendung „religiös-christlicher Elemente“ untersagen.
Besonders störte die Kläger, die sich selbst der christlichen Friedensbewegung zurechnen, der Befehl „Helm ab zum Gebet!“ sowie die Verwendung des Chorals „Ich bete an die Macht der Liebe.“ „Jesus Christus hat Nächsten- und Feindesliebe und Gewaltfreiheit gepredigt und entsprechend gehandelt“, heißt es in der Klagebegründung. „Militär, Waffen und Krieg sind von ihm stets abgelehnt, geschweige denn glorifiziert worden.“
Die Bundeswehr instrumentalisiere das Christentum für ihre Legitimation, so die Kläger. Der Staat sei zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet, kritisierte Martin Singe, einer der Kläger. „Hier wird eine theologische Richtung vom Staat vereinnahmt.“ Öffentlichkeit und Soldaten könnten sich dem nicht entziehen – Singe sieht hier eine Parallele zum Kruzifix im Klassenzimmer, das nach höchstrichterlichem Urteil auch gegen die Religionsfreiheit verstößt.
Das Verwaltungsgericht Köln folgte dem nicht. Niemand sei gezwungen, an dem Zapfenstreich teilzunehmen, hieß es zur Begründung. Deshalb würde auch niemand in seinem Grundrecht auf Glaubensfreiheit verletzt. Gegen dieses Urteil haben die friedensbewegten Christen allerdings Beschwerde beim Oberwaltungsgericht Münster eingelegt. Wenn nötig, wollten sie „auf jeden Fall“ bis zum Bundesverwaltungsgericht ziehen, kündigte Singe gegenüber der taz an. Als Erfolg wertete er es, dass das Kölner Gericht eine Verletzung des Glaubens durch den Zapfenstreich eingestanden habe. Wörtlich heiße es in dem Urteil: „Als Zuschauer können sie, müssen aber nicht daran teilnehmen und sich so einer Verletzung ihrer religiösen Gefühle aussetzen.“ Zwar könne er dem Zapfenstreich örtlich ausweichen, sagte Singe. Das ändere aber nichts „an der Betroffenheit der Christen im Kernbereich ihres Glaubens“.
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