Jungfernstieg-Prozess: Elias A. zu Jugendstrafe verurteilt
Im Prozess um die tödliche Messerattacke auf dem Bahnhof Jungfernstieg lautet das Urteil sechs Jahre. Dem Gericht zufolge hat der Täter Einsicht gezeigt.
Der Fall des tödlichen Messerangriffs am Jungfernstieg hatte über Hamburg hinaus Wellen geschlagen, am Donnerstag kam das Urteil: Nach dreizehn Prozesstagen verurteilte das Landgericht Hamburg Elias A. wegen Totschlags zu sechs Jahren Jugendstrafe. Die zwei Mitangeklagten wurden wegen gefährlicher Körperverletzung beziehungsweise Beihilfe dazu mit Erziehungsmaßregeln belegt.
Am 14. Mai hatte der damals 16-jährige Elias A. sein Opfer Mel D., einen drei Jahre älteren Jugendlichen, den er bis dahin noch nie gesehen hatte, mit einem Messer ins Herz gestochen. Das Opfer verblutete noch auf dem Bahnsteig. Das Motiv von Elias A. war bisher unklar. Einer aus der Gruppe der Jugendlichen, mit der er losgezogen war, soll Mel D. kurz vor dem tödlichen Stich mit dem Satz "Was guckst du, was ist hier los?" angepöbelt haben. Minuten später war das Opfer tot. Drei Tage später wurde Elias A. festgenommen - die Überwachungskameras auf dem Bahnhof hatten die Tat aufgezeichnet.
In der Hauptverhandlung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, soll der Angeklagte Reue gezeigt und sich entschuldigt haben. Das teilte ein Gerichtssprecher mit. Die Jugendkammer folgte in ihrer Verurteilung dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert. Sie kündigte an, in Revision zu gehen.
Das Gericht bewertete die Tat als "vollkommen grundlos". Das Opfer habe sogar beschwichtigend auf den Angeklagten und seine Komplizen eingeredet. Dennoch habe Elias A. zum Messer gegriffen.
Die Tat von Elias A. ist kein Einzelfall. Die Entwicklung der Gesamtkriminalität in Hamburg bleibt zwar seit Jahren mehr oder weniger konstant. Jedoch gab es laut Kriminalitätsstatistik 2009 15 Prozent mehr Fälle von schwerer und gefährlicher Körperverletzung als im Jahr davor. 40 Prozent der Tatverdächtigen sind jünger als 21 Jahre.
Dass dieser Fall für so großen medialen Wirbel sorgte, hat noch einen anderen Grund. Wenige Tage nach der Tat wurde Kritik laut, der Angriff hätte verhindert werden können. Denn der Täter war der Polizei hinlänglich bekannt, sein Vorstrafenregister umfasste gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Erpressung. Seit August 2009 galt er als Intensivtäter. Im Januar 2010 wurde er in die sogenannte Protäkt-Datei aufgenommen, die Verfahren von Intensivtätern beschleunigen soll.
Ein Rap-Video auf Youtube, in dem Elias A. und 20 andere Jugendlichen als Gangster auftreten, macht deutlich, wer im Viertel rund um den Jungfernstieg das Sagen hat. "Neustädter Jungs" nennt sich die Gang. Ein harmlos klingender Name, die Texte sind es nicht. "Ich schwöre, dass du Klatsche kriegst. Das ist kein Spaß, meine Jungs, meine Gang, wenn du mein' Blick siehst: Renn, Nutte, renn!"
Der Senat hatte einen Monat nach der Tat Fehler im Umgang mit Jugendgewalt eingeräumt, die Behörden für Inneres, Justiz, Schule und Soziales hatten daraufhin ihr 2007 beschlossenes Konzept "Handeln gegen Jugendgewalt" überarbeitet. Die Ergebnisse sollen nächste Woche vorgestellt werden.
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