: Jukebox
Schauen Sie ruhig noch einmal genau hin!
Das Schöne an Musik: dass sie in Bildern verpackt ist. Das Bedauerliche an der Gegenwart: dass die Musik ihr Gesicht verliert. Das macht sie nicht heute. Aber morgen bestimmt, weil längst ausgemacht ist, dass Musik nicht mehr an irgendwelche Tonträger gebunden sein soll, die man auch in die Hand nehmen kann. Und digitale Datenmengen sind praktisch im Tranfer und lassen sich komprimieren oder sonstwie verarbeiten. Verpacken aber kann man sie schlecht.
Dass nun vermehrt Kompendien erscheinen, in denen Plattencover mit all ihren Vorzügen abgebildet werden, ist nur der Schwanengesang der Musealisierung, und Museum ist ein Hort des Toten, kann man nichts machen und halt zum Trotz in seiner Plattensammlung stöbern, sie nach Bildern sortieren und die besonders gelungenen Cover an die Wand hängen. Wenn man will, darf man sogar Kunst dazu sagen, mit den Höhepunkten der Plattencoverdesigngeschichte bei den Beatles, wem sonst, und zwar b) der Popart-Collage bei „Sgt. Pepper“ von Peter Blake, und a) der Antwort von Richard Hamilton darauf mit der scheinbaren Abwesenheit von Gestaltung beim so genannten „Weißen Album“. Alles aus lauter Nostalgie, und all das wurde einst schon als entscheidender Vorteil von Musik auf Vinyl gegenüber der CD genannt, einfach weil durch den größeren Durchmesser der LP mehr Gestaltung bei der dafür notwendigen Hülle unterzubringen war.
Aber nach vorn geschaut hat auch die CD kaum eine Zukunft, und blickt man zurück, muss man feststellen, dass früher die Musik schon mal wenig Gesicht zeigte. Schellackscheiben waren nur in Packpapier geschlagen. Erst als der Kunde selbsttätig unter immer größerem Angebot zu wählen hatte, kamen gestaltete Hüllen dazu. Das Cover als Verkaufsargument. Es ging also wie immer schlicht ums Geschäft.
Aber ein wenig wehmütig darf man doch sein und sich umschauen, etwa bei den Entwürfen von Stefan Sagmeister (machte Cover für Lou Reed, David Byrne usw.) im Lichtturm der Oberbaum City in der Rotherstraße 11 (10.–24. Oktober, 14–18 Uhr). Oder ab 15. Oktober im Neurotitan im Haus Schwarzenberg bei einer Ausstellung mit Entwürfen des Auchmusikers Kim Hiorthøy (der das aktuelle David-Grubbs-Album gestaltete). Wenn die Hüllen nicht mehr nach Hause kommen, gibt es sie eben groß an der Wand. THOMAS MAUCH