: Jukebox
Das zerborstene Herz der Berliner Bohème
Nein, dieses Album ist kein neues von den Jacobites, so sahen der seit Ende der 90er in Berlin lebende Nikki Sudden und sein bewährtester, treuester Partner Dave Kusworth schon vor über 20 Jahren aus: ein bisschen ältlich, ein bisschen kaputt, ein bisschen hippiesk, ein bisschen cool, der Zeit gemäß mit ordentlich Kajal um die Augen. Geändert hat sich daran bis zum Tod von Nikki Sudden jetzt gerade am 26. März im Backstageraum der New Yorker Knitting Factory nichts. Alterslosigkeit war Suddens und Kusworth’ Stärke. Zeitdiebe, Zeitsucher und Zeitwiederfinder waren sie in den 80er- genauso wie in den späten 90er-Jahren, als sie sich nach längerer intimer Feindschaft wieder zusammenrauften, und das hatte nicht nur etwas mit ihrem Outfit zu tun.
Auch ihre Musik war so: retro, als es das in dem Ausmaß noch gar nicht geben konnte, mal eine Versöhnung von Can und den Stones, wie bei Suddens Vorgängerband, den Swell Maps, dann wieder irgendwas zwischen Alex Chilton, Incredible String Band, Alan McGhees Sixties-Retroband Biff Bang Pow und Stephen Duffy. Vor allem aber nowtro, weil immer sie selbst, immer eine Spur daneben, Lennon/McCartney in verbeult, bei den verträumten Stücken genauso wie bei den hart rockenden.
„Nikki, ich mach einen Star aus dir“, hat Alan McGhee zu Sudden gesagt, als Sudden in den späten 80er-Jahren eine Zeit lang bei Creation Records unter Vertrag war. Nur wollte Sudden das gar nicht, Stars von McGhees Gnaden wurden andere, Jesus & Mary Chain, Primal Scream, Oasis. Sudden wollte lieber Songs schreiben und noch mehr Songs und Platten machen, Platten, Platten, Platten, und zwar sofort.
Wie „Robespierres Velvet Basement“, die noch vor Suddens Creation-Zeit herauskam, aber auch nur ein halbes Album mit 14 Songs war. Eigentlich sollte ein Doppelalbum draus werden, was jedoch selbst die Indielabelbetreiber von Glass Records als zu viel und nicht marktkonform empfanden – die verlorene Hälfte erschien dann solo als „Lost In A Sea Of Scarves“.
Mit „Robespierres Velvet Basement“ präsentieren sich zwei kaputte Romantiker mit zwei zerbrochenen Herzen („I am just a broken heart“). Es herrscht ein Wimmern und Wehklagen auf diesem Album, es endet in Tränen, und ab und an mal bricht zumindest Sudden aus und rockt, klapprig, aber bemüht: „Fortune of Fame“, „One More String Of Pearls“. Fragt sich nur noch: Was macht eigentlich Dave Kusworth? Muss man sich Sorgen machen? GERRIT BARTELS