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Archiv-Artikel

Jukebox

Ohnmacht. Und der ganz normale Größenwahn

Alles super hier, wenn man sich so umschaut. Pop. Wow! Superbunt, superlaut, superheftig. Immer das ganz große Ding. Da können sie in den anderen Sparten nicht mehr mithalten. „We’re more popular than Jesus now“, verkündigte John Lennon für die Beatles, woraufhin nur ein paar versprengte Fundamentalisten in den USA Platten der Band auf den Scheiterhaufen warfen.

Großmäuligkeit ist Grundgesetz bei Pop. Ewiges Halbstarkenprinzip: Wer am lautesten schreit, hat irgendwie auch Recht. Mit der nötigen Chuzpe titelten etwa Extrabreit (schon der Name!) aus dem beschaulichen Hagen gleich ihre erste LP „Ihre größten Erfolge“ und legten als geübte Prahlhansel mit „Welch ein Land – Was für Männer“ und „Rückkehr der phantastischen Fünf“ nach. Diese LP-Trilogie aus dem Jahren 1980–82 umschreibt die Wirkungsweise von Pop weit besser als die Musik der Band. Wer sich für den weiteren Fortgang von Extrabreit nach „Hurra, Hurra die Schule brennt“ interessiert, kann ja am Samstag um 22 Uhr zu ihnen ins Big Eden gehen.

Pop neigt ein wenig zur Selbstüberhöhung, dass man ihn eben besser sieht, wie er aus der Menge herausragt. Weswegen der Plateaustiefel unbedingt das vollkommene Symbol für Pop ist. Getragen wurden diese Klötze am Bein (klotzen, nicht kleckern) Anfang der Siebziger. Hochzeit des (wieder gern gehörten) Glamrock. Die Kinder speiste man damals mit ein paar Glitzerklamotten ab (Sweet, Slade), während die etwas geschulteren Pop-Hörer doch mit verzwickteren Angeboten gelockt wurden. Mit Ambivalenzen, wie das vor allem David Bowie durchspielte, mit der Androgynität als neuem Markenzeichen von Pop. Mancherorts wurde das sogar als emanzipatorischer Fortschritt bewertet: Männer in Frauenkleidern verwischen Geschlechteridentitäten. Der Blick auf die Produktionsbedingungen allerdings klärt schnell auf, dass es sich hier nur um einen besonders perfiden Abwehrkampf in Frauenkleidern gegen die Frauen im Geschäft handelte. Tatsächlich finden sich im historischen Glamrock noch weniger Musikerinnen als in der Karohemdfraktion. Amanda Lear will ja niemand recht gelten lassen.

Mick Rock (dessen Bowie-Fotos noch bis 31. Mai in der Berlin Rock Photo Gallery zu sehen sind) berichtete, dass David Bowie nur eine Grenze bei seiner Kleiderwahl kannte. Niemals Frauenunterwäsche! Damenschlüpfer? Igitt!

Ohnmacht und Größenwahn. Super. So ist Pop. Man muss ihn einfach gern haben, den Lümmel. THOMAS MAUCH