Jugendliche proben Einmischung in die Politik

Das Netzwerk U 18 lässt Jugendliche Abgeordnetenhauswahl spielen. Für die Parteien ist es ein erster Test, wie ihre Wahlprogramme ankommen

„Bei dem ganzen Zettelchaos sieht doch niemand mehr durch“, kommentierte Karla Range-Schmedes von der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Sport ihre eigene Briefwahl am Wochenende. Genauso wenig benutzerfreundlich, vor allem für Jugendliche, sind ihrer Meinung nach die Parteiprogramme. Allein eine jugendgerechtere Sprache würde, so Range-Schmedes, dazu beitragen, dass sich mehr Jugendliche für Wahlen und Politik interessieren. Die Senatsverwaltung unterstützt daher die Jugendwahl, ein Projekt des Netzwerkes U 18, organisiert vom Verein Gangway für Straßensozialarbeit in Berlin.

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren können dabei in einem Wahllokal in der Nähe ihre Stimme für das Abgeordnetenhaus abgeben. Allerdings eben nur zum Spaß. Als Wahllokale fungieren Schulen und Vereine, die Stimmzettel sind denen der „echten“ Wahlen nachempfunden. Die Kandidaten sind dieselben. Am Abend werden die Stimmen öffentlich ausgezählt und auf der Webseite bekannt gegeben. Und das Ganze eine Woche vor der Wahl, am 8. September.

Für die Parteien könnten also die Ergebnisse wegweisend sein, um noch einmal werbetechnisch auf die Pauke zu hauen oder bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Denn: „Die Jugendlichen wählen natürlich anders als die über 60-Jährigen“, wie Walter Momper sagt, der zum zweiten Mal Schirmherr von U 18 ist.

So stimmten vor der Bundestagswahl 2005 knapp 39 Prozent der 48.461 Jugendlichen für die SPD, 17 Prozent für die CDU/CSU und 14 Prozent für die Grünen. Die Linke kam auf 12, die NPD auf fast 7 Prozent. Über die Stimmen für die NPD ist Marcus Lehmann vom Bezirksamt Mitte sogar froh: „Denn die Ergebnisse bieten uns wenigstens Ansatzpunkte. So wissen wir besser, wo wir noch weiter aufklären und informieren müssen.“ Auch er bemängelte die trockenen Wahlprogramme: „Mit jugendgerechter Aufarbeitung der Inhalte tun sich die Parteien schwer.“

Offiziell dürfen dieses Jahr junge Menschen ab 16 an den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) teilnehmen. „Viele wissen gar nicht, was sie da überhaupt wählen sollen, denn in der Schule kommen die Wahlen häufig zu kurz“, sagt Ada Pohland, Schülerin der Kurt-Schwitters-Schule. Sie gehört zum Pankower Promotionteam von U 18 und informiert Jugendliche in ihrem Bezirk über Politik in Berlin. Vor allem müsse man den Jugendlichen erklären, inwiefern sich die Parteien voneinander unterscheiden und was in der BVV passiere, sagt sie.

Bisher haben 204 Wahllokale ihre Beteiligung zugesichert, die Organisatoren rechnen mit 300 am 8. September. Von den Jugendlichen, die 2005 erstmals an der U 18-Bundestagswahl teilnahmen, wünschen sich 66 Prozent eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Die Hälfte der Teilnehmer meinte, nach der Wahl mehr über Politik zu wissen. Hoffentlich genug, um wieder zu wählen – dann, wenn die Stimmen wirklich zählen. ELISABETH RANK