Jugendliche ohne Ausbildungsplatz: Übung macht keine Meister
Jugendlichen, die seit Jahren ohne Ausbildungsplatz sind, bleibt oft nur eins: die Simulation der Wirklichkeit in einer Ausbildungsgesellschaft.
Ihr Hauptschulabschluss vor eineinhalb Jahren war mit einem Notendurchschnitt von 3 nicht der beste, das gibt Aydan Yatkin selbst zu. "Ich hätte mich noch mehr anstrengen sollen", sagt sie. Doch seitdem hat die 17-jährige Berlinerin alles versucht, an einen Ausbildungsplatz zu kommen. Mehr als 100 Bewerbungen hat sie geschrieben, nicht nur für ihre Wunschberufe wie Bürokauffrau oder Verwaltungsfachangestellte, sondern auch für Lehrstellen als Friseurin oder Verkäuferin. Das Ergebnis: nur Absagen.
Um ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt zu verbessern, hat Yatkin zwei mehrmonatige, fast unbezahlte Praktika gemacht. Einer der Arbeitgeber hätte sie als Azubi übernommen, hat dafür aber keine Erlaubnis der Kammer. Auch das Arbeitsamt schickt Yatkin keine Angebote. "Ich kann doch was, ich kann zum Beispiel gut mit dem Computer umgehen", sagt Yatkin. Man glaubt ihr das gerne. "Ich fühle mich verarscht", sagt sie.
Altbewerber ist das Unwort, das sich die deutschen Arbeitsmarktexperten für Menschen wie Yatkin ausgedacht haben. Sie meinen damit Jugendliche und junge Erwachsene, die schon seit ein, zwei, drei oder gar noch mehr Jahren auf der Suche nach einer Lehrstelle sind. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung ist ihre Zahl inzwischen auf rund 380.000 angestiegen.
"Da hat sich etwas angestaut in den vergangenen zehn Jahren, das lässt sich nicht mehr abbauen", sagt Heidi Gellhardt vom Verein Arbeit und Bildung. In ihrer Einrichtung im Zentrum Berlins versucht sie Yatkin und andere junge Migranten in eine Lehrstelle zu vermitteln, doch die Chancen darauf schätzt sie trotz der derzeitigen Jubelmeldungen der Wirtschaft schlecht ein. In die klassische, die duale Berufsausbildung, könnten sie und ihre Kollegen lange nicht alle vermitteln. Viele der Jugendlichen landeten erst mal in berufsvorbereitenden Maßnahmen oder Weiterbildungen, oft hangeln sie sich von einer zur nächsten. "Das ist wie in einer Waschmaschine, aus der man nicht mehr rauskommt."
In Berlin werden viele dieser jungen Erwachsenen im Süden der Stadt angespült, bei der "Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsgesellschaft". Die hat sich auf einem alten Fabrikgelände eingerichtet und trainiert 3.300 Menschen in Übungswerkstätten. "Wer zu uns kommt, hatte auf dem normalen Ausbildungsmarkt keine Chance", sagt deren Chef Karl Heinz Velten.
So wie Sven Striebel, 25, der seit 1999 vergeblich versucht hat, in einem Betrieb eine Lehrstelle als Koch oder Restaurantfachmann zu finden. "Bei manchen Hotels, bei denen ich mich beworben habe, wollten sie sogar Abitur haben", sagt Striebel. Sein Hauptschulabschluss mit einem Schnitt von 2,3 war da viel zu wenig. Mehr als 500 Bewerbungen hat Striebel inzwischen geschrieben, schätzt er. "Irgendwann gehen dir die Betriebe aus."
Sicher, auch er habe Fehler gemacht, sagt Striebel. So hat er die Abendrealschule nach einigen Monaten wieder abgebrochen. Er schlug sich mit Praktika und kleineren Jobs durch, eineinhalb Jahre lang steckte ihn die Arbeitsagentur in einen 1,50-Euro-Job als Hilfshausmeister in einer Schule in Berlin-Zehlendorf.
Vor zwei Monaten hat Striebel nun seine schulische Ausbildung zur Gastrofachkraft begonnen. Geld bekommt er dafür keines, wie es bei einer regulären Lehrstelle der Fall wäre, seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit ALG II.
Anstatt in einer echten Gaststätte lernt Striebel hier das Kellnern in einem Übungsrestaurant. Am Morgen faltet er die weißen Servietten zu einer "Bischofsmütze" und die gelben zu einer "Kerze", so die Fachausdrücke für die Falttechniken. Danach bedient er mit weißgrüner Weste, schwarzer Hose und grüner Schürze zum Frühstück die anderen Jugendlichen im Berufsbildungscenter, die hier das Schweißen, Feilen, Hobeln oder Frisieren lernen. Zur Mittagspause bestellen auch die Ausbilder bei ihm ihr Essen, heute gibt es Hühnerfrikassee mit Butterreis. Echte Gäste, von außerhalb, echte Restaurantbedingungen gibt es hier nicht.
Andere würde diese tägliche Simulation der Wirklichkeit frustrieren, nicht so Striebel: "Ich bin froh, dass ich überhaupt etwas bekomme", sagt er. Was seine Alternativausbildung wert ist, wird sich aber erst in zwei Jahren zeigen: Dann wird der Berliner wieder Bewerbungen schreiben müssen. Für eine echte Arbeitsstelle. WOLF SCHMIDT
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