Jugendarbeit: Im Kreuzberg solls rund laufen
Seit einem Monat kümmern sich sechs "Kiezläufer" um problematische Jugendliche rund ums Kottbusser Tor. Sie haben selbst Straßenerfahrung - und sollen deshalb glaubwürdig wirken.
Ihr Einsatzgebiet ist die Gegend rund um das Kottbusser Tor. Genauer gesagt: die Naunyn- und die Admiralstraße. Eine Gegend, die als Quartiersmanagement-Gebiet eingestuft ist, und von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Fördermittel bekommt, damit die Probleme nicht vollends aus dem Ruder laufen. Die fünf Männer und eine Frau im Alter von 30 bis 48 Jahren sind seit Mitte August im Einsatz. Sie sind weder geschulte Sozialarbeiter noch haben sie eine weiße Weste, was ihr kriminelles Vorleben angeht. Aber auch - oder gerade deshalb - sind sie von dem interkulturellen Trägerverein Odak für den Job als so genannte Kiezläufer ausgewählt worden. "Sie haben soziale Kompetenz, weil sie die Regeln der Straße kennen, und deshalb Zugang zu den Jugendlichen", so Projektkoordinator Orhan Akbiyik zur taz.
Die Idee ist nicht neu. Junge Leute, die selbst von der Straße kommen, Gewalt- und Drogenerfahrung haben, gehen auf Jüngere zu, die sich noch in diesem Millieu befinden. Weil sie den entsprechenden Stallgeruch haben, so die Hoffnung der Initatoren, können sie helfen, Brücken zwischen den Jugendlichen und bestehenden Einrichtungen der Sozialarbeit zu schlagen. Man erhofft sich davon einen Rückgang der Gewalt und dass der eine oder andere doch noch bereit ist, die Schule zu beenden.
Neu ist allerdings, dass auch Kreuzberg zum Experimentierfeld für diese Art der Straßensozialarbeit geworden ist. Das von der Senatverwaltung für Stadtentwicklung und dem Quartierrat "Zentrum Kreuzberg/Oranienstraße" beschlossene Projekt existiert seit Mitte August und ist zunächst auf drei Monate befristet. Über die Herkunft der sechs Kiezläufer verrieten die Initiatoren gestern auf einer Pressekonferenz in den Räumen des Quartiersmangement kaum etwas. Im Spiegel ist zu lesen, dass einige von ihnen früher Mitglied der türkischen Jugendgang "36 Boys" waren - die wohl berüchtigste Kreuzberger Gang. Aus anderen Kreisen verlautete, dass einige Vorstrafen wegen Gewalt- und Drogendelikten haben. Projektkoordinator Akybiyk verriet nur soviel: "Sie wurden nach den Bewerbungskriterien der Straße ausgesucht." Sie seien geeignet, auf die Jugendlichen im Kiez zuzugehen und deeskalierend zu wirken. Neben gebürtigen Kurden, Türken, Arabern und Albanern sei auch ein Deutscher darunter. Nach Informationen der taz handelt es sich dabei um eine frühere Kiezgröße der Autonomenszene.
Die Kreuzberger Jugendstadtdrätin Monika Hermann (Grüne) sagte, sie begrüße das Projekt. Allerdings handle es sich um einen sehr sensiblen Bereich. Es sei ein hochgestecktes Ziel, wenn die Initiatoren glaubten, dass man Jugendliche in nur drei Monaten dazu bringen könne, von der dunklen Seite - also der Illegalität - auf die helle Seite zu wechseln. "Es wäre klüger gewesen, wenn man die Akteure vorher mit den bestehenden Einrichtungen der Sozialarbeit vernetzt hätte", so Hermann. Dies werde nun nachgeholt. "Ich hoffe, dass wir das gut hinkriegen."
Auch Neco Celik, langjähriger Sozialarbeiter in der Jugendeinrichtung Naunynritze, zeigte sich befremdet darüber, dass das Jugendhaus nicht früher von dem Projekt unterrichtet worden sei. "Ich habe gehört, dass unsere Arbeit von manchen Kiezläufern schlecht gemacht wird." Dies sei kein konstruktiver Ansatz.
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