Jürgen Trittin: "Wir müssen mit der Hisbollah reden"
Die Hisbollah bringt sich aus Sicht des Ex-Umweltministers "sehr positiv" in die Politik im Libanon ein. Die EU dürfe sie nicht als Terrorgruppe behandeln
taz: Herr Trittin, anders als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier haben Sie bei Ihrem Besuch in Beirut mit der Hisbollah geredet. Warum?
Jürgen Trittin: Ich halte das für richtig - selbstverständlich ohne dabei die Legitimität der gewählten Regierung infrage zu stellen. Auch die Bundesregierung muss aktiv auf eine Überwindung der bestehenden institutionellen Blockade drängen. Denn der jetzige Zustand könnte rasch dazu führen, dass es bald zwei Regierungen und eineinhalb Präsidenten gibt - mit verheerenden Wirkungen für die Stabilität des Landes, nicht zuletzt an der Südgrenze zu Israel. Gerade wenn man sich der Sicherheit Israels verpflichtet fühlt, muss man ein massives Interesse an einem stabil und verantwortlich regierten Libanon haben.
Die Hisbollah hat mit der Entführung von zwei israelischen Soldaten den Krieg im letzten Sommer ausgelöst. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass ihre Milizen erneut eine solche Aktion durchführen?
Ich habe eher den Eindruck, dass die Hisbollah sich sehr positiv in die Gestaltung des politischen Prozesses im Libanon einbringt. Auch aus meinen Gesprächen mit Gegnern der Partei habe ich herausgehört, dass niemand mit einer solchen Aktion rechnet. Ihre Führung hat sich außerdem klar und deutlich für die Unterstützung von UN-Truppe Unifil ausgesprochen - und umgekehrt berichtet die Unifil von sehr guter Kooperation mit den lokalen Verantwortlichen im Süden. Die sind bei der Hisbollah.
Die USA drängen die EU dazu, die Hisbollah ähnlich wie die Hamas auf ihre Liste der Terrororganisationen zu setzen. Halten Sie das für richtig?
Nein, denn der "War on Terror" ist gescheitert. Im Irak hat er ein Desaster angerichtet, das mit einem Rückzug der USA enden wird. Die Bekämpfung terroristischer Gewalt wird nur gelingen auf der Basis von Rechtsstaatlichkeit und multilateraler Kooperation. Insofern glaube ich, dass man in Europa auf Ratschläge aus den USA, wie man mit Terrorismus umzugehen hat, ziemlich harthörig geworden ist. Zudem darf man Hamas und Hisbollah nicht gleichsetzen: Die Hisbollah istvor allem eine libanesische Kraft, die in ihrer Entwicklung von einer Miliz zu einer politischen Bewegung heute viel weiter ist als die Hamas, bei der es gerade mit dem Gaza-Putsch einen schweren Rückschlag gab.
Der tödliche Anschlag auf spanische Unifil-Einheiten am Wochenende hat Erinnerungen an den Irak geweckt. Sollte der Unifil-Einsatz unter diesen Umständen fortgeführt werden?
Ich wehre mich entschieden dagegen, einen Einsatz, der durch den UN-Sicherheitsrat mandatiert ist und mit übergroßer Zustimmung der libanesischen Bevölkerung und fast aller Konfliktparteien durchgeführt wird, eins zu setzen mit einer völkerrechtswidrigen Besatzung. Im Irak waren die Spanier als Besetzer, das ist im Libanon anders. Insofern ist auch die Botschaft der spanischen Regierung eindeutig: Davon lassen wir uns nicht irritieren.
Nach Auskunft von Bundeswehr-Offizieren hat die deutsche Marine seit Beginn ihres Einsatzes in den libanesischen Gewässern keinen einzigen Fall von Waffenschmuggel gestoppt. Werden da nicht Millionen Steuergeldern verpulvert?
Gegenfrage: Was wäre, wenn die Marine dort nicht wäre? Tatsache ist wohl, dass Teile des schweren Kriegsgeräts, die der Hisbollah ihren größten Propagandaerfolg bescherten, als sie im vergangenen Juli mit Ansage ein israelisches Schiff beschossen, auf dem Seeweg in den Libanon gekommen sind. Das zu unterbinden, ist allgemein anerkannt.
Wäre die deutsche Unterstützung effektiver, wenn die Bundeswehr an Land präsent wäre?
Das ist nicht notwendig. Ich habe den Eindruck, dass Franzosen, Italiener und Spanier, gemeinsam mit Ghanaern und Chinesen, das sehr ordentlich machen. Es ist im Grunde eine große europäische Operation, in der eine Arbeitsteilung stattfindet, die von allen akzeptiert wird.
Seit der Verhaftung der aus dem Libanon stammenden, so genannten Kofferbomber haben Islamisten Deutschen im Libanon gedroht. Steht die deutsche Unifil-Beteiligung nach dem Anschlag auf die Spanier auf der Kippe?
Dies belegen nur, dass man globale Sicherheit nicht mehr national garantieren kann. Manche glauben ja, die terroristische Gefahr für ein Land wie Deutschland würde verschwinden, wenn man sich in Deutschland einigelt. Am Ende wird man ihr aber nur wirksam begegnen, indem man Schritt für Schritt zu verhindern versucht, dass Staaten zerfallen, und gleichzeitig daran arbeitet, dass dort funktionierende Institutionen aufgebaut werden. Die libanesische Souveränität zu stärken, ist Kern des Mandats von Unifil - das von der Bundesregierung durch politisch unterstützt werden muss.
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