: Jubiläum ohne Weltspitze
Die 125. Kieler Woche muss mit dem Makel leben, dass die Weltspitze wegen verfehlter Terminplanung an Kiel vorbeisegelt. Dafür soll 2008 das Endspiel im neu erfunden Segel-Grand Slam an der Förde ausgetragen werden
Zwei Wochen im Jahr wechselt die Stimmung von Hermann Hell mit jeder Wolke, die am Horizont erscheint. „Vor einer Viertelstunde hatten wir noch Top-Wetter, aber da kommt schon die nächste Regenfront“, berichtet der Sprecher der Kieler Woche am Sonntagnachmittag von der Förde. Dabei müssen heute auch die am Eröffnungstag wegen drehender Winde ausgefallenen Wettfahrten nachgeholt werden.
Schwerer lastet allerdings ein anderes Unwetter auf der 125. Kieler Woche, für das der Weltsegelverband (ISAF) verantwortlich ist: Ausgerechnet die Jubiläumsveranstaltung muss mit dem Handicap leben, dass unmittelbar im Anschluss vom 28. Juni bis zum 13. Juli die Weltmeisterschaften der olympischen Bootsklassen im portugiesischen Cascais ausgetragen werden. „Wer sich für die olympischen Spiele in Peking qualifizieren will, fährt rechtzeitig nach Cascais, um sich vorzubereiten“, sagt Hell, und muss damit leben, dass trotz eines starken Teilnehmerfeldes von 510 olympischen Booten die Weltelite weitgehend direkt nach Portugal reist.
Um wenigstens einige Olympia-Aspiranten nach Kiel zu ziehen, machen erstmalig seit der Zweiteilung der Regatten in den internationalen und den olympischen Teil im Jahre 1993 die olympischen Klassen den Auftakt. „Der Effekt ist begrenzt“, sagt Hermann Hell, „der sportliche Ehrgeiz der teilnehmenden Segler ist aber unverändert. Und gefeiert wird sowieso im internationalen Teil mehr.“
Am stärksten ist noch die Starboot-Klasse besetzt. Hier übernahmen der Lokalmatador und Mitfavorit Marc-Aurel Pickel und sein Vorschoter Ingo Borkowski mit drei Siegen am zweiten Tag die Führung. Pickel hatte die WM-Terminierung kritisiert: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum die WM so dicht an die Kieler Woche gelegt wurde.“
Pech hatte im Tornado Johannes Polgar im innerdeutschen Duell gegen seinen Dauerrivalen, den dreifachen Weltmeister Roland Gäbler: Nach zwei Wettfahrten in Führung liegend riss ein Tampen und Vorschoter Florian Spalteholz verstauchte sich den Fuß. Das Duo konnte die dritte Wettfahrt nicht beenden und fiel auf Platz vier zurück.
Überstrahlt wird der gerupfte olympische Teil in diesem Jahr durch eine Weltpremiere im internationalen Teil: Am Dienstag beginnen die ersten Weltmeisterschaften in der neuen, rasanten X 35-Klasse, deren Siegeszug einst in Dänemark anfing. 34 Boote aus acht Nationen werden in Kiel an den Start gehen.
Dennoch muss sich der Präsident des Welt-Seglerverbandes Göran Petersson bei seinem Besuch in Kiel in diesen Tagen viel Kritik anhören. Vorsorglich kam der 64-jährige Schwede nicht mit leeren Händen an die Förde: die Kieler Woche 2008 wird den Abschluss des im nächsten Jahr erstmals angesetzten Sailing World Cups mit den Stationen Melbourne, Miami, Palma, Hyeres, Medemblik/Niederlande und eben Kiel bilden. Mit dem Finale dieses Segel-Grand Slams kehrt die Weltspitze dann nach einem Flauten-Jahr nach Kiel zurück. „Damit ist auch anerkannt worden, dass in diesem Jahr vieles schief gelaufen ist“, sagt Hermann Hell. RALF LORENZEN