Journalistenmorde in Mexiko: Wer schreibt, der stirbt
Seit die Gewalt im mexikanischen Drogenkrieg eskaliert, werden immer mehr Berichterstatter umgebracht. Ein neues Gesetz zum Schutz der Medienvertreter bleibt wirkungslos.
Zuletzt traf es Gabriel Huge, Guillermo Luna und Esteban Rodríguez. Vergangenen Donnerstag wurden die Leichen der drei Fotojournalisten von Polizeibeamten aus einem Kanal im mexikanischen Bundesstaat Veracruz gefischt.
Die Mörder hatten die Körper ihrer Opfer verstümmelt, in schwarze Müllsäcke gesteckt und ins Wasser geworfen. Verletzungen weisen darauf hin, dass die Männer vor ihrem Tod gefoltert wurden – ebenso wie die Reporterin Regina Martínez. Sie wurde sechs Tage zuvor in Jalapa, der Hauptstadt von Veracruz, erdrosselt aufgefunden.
Die Art und Weise, wie die Medienschaffenden getötet wurden, lässt kaum Zweifel: Für die Taten sind Killer einer Mafiaorganisation verantwortlich. Veracruz zählt zu den Bundesländern am Golf von Mexiko, in denen sich in den letzten Jahren die Zetas stark ausgebreitet haben. Das aus ehemaligen Militärs hervorgegangene Kartell ist für die Entführung zigtausender Migranten verantwortlich und im Drogenhandel tätig. Die Zetas sind dafür bekannt, dass sie ihre Opfer foltern, enthaupten oder zerstückeln.
Die Journalisten wussten, dass sie gefährdet waren, weil sie über die Machenschaften der Kriminellen berichtet hatten. Luna und Huge, die auch für die Lokalzeitung Notiver tätig waren, verließen letzten Sommer vorübergehend ihre Heimat, nachdem Lunas Freundin und Kollegin sowie ein Kolumnist des Blattes samt Familie ermordet worden waren.
Rodríguez arbeitete bei TV Azteca, bevor der Fernsehsender wie zahlreiche Medien in Veracruz 2011 aus Sicherheitsgründen ihre Berichterstattung über Kriminalität einstellten. Martínez, die als Korrespondentin für das Wochenmagazin proceso geschrieben hatte, veröffentlichte hingegen noch am Tag vor ihrem Tod einen Beitrag über neun Polizisten, die mit der Mafia zusammengearbeitet hatten.
Pressevertreter leben gefährlich
Seit die Gewalt im Zuge des „Drogenkriegs“ in Mexiko eskaliert ist, leben Pressevertreter immer gefährlicher. Wer über die Kartelle und deren Partner in Politik, Wirtschaft, Polizei und Militär berichtet, muss damit rechnen, ermordet zu werden. Nach Angaben der Nationalen Menschenrechtskommission kamen in den letzten zwölf Jahren 79 Journalistinnen und Journalisten gewaltsam ums Leben, weitere 14 verschwanden. Seit 2009 gab es zudem 26 Bombenanschläge und bewaffnete Angriffe auf Medienunternehmen.
Dass hinter den Angriffen, wie die Regierung behauptet, immer Kartelle stecken, ist nicht belegt. Schließlich wird kaum ermittelt, und häufig verschwimmen die Grenzen zwischen Kriminellen und Sicherheitsbehörden. Im Dezember wurden in der Hafenstadt Veracruz sämtliche Beamte entlassen, weil sie unter dem Verdacht standen, für die Mafia zu arbeiten.
„Lokale Regierungen und polizeiliche Kräfte scheinen in einige Fälle verwickelt zu sein, und das führt dazu, dass die Journalisten weder wissen, woher die Drohungen kommen, noch wie sie die Gewalt verhindern könnten“, erklärt Karin Deutsch Karlekar von der internationalen Nichtregierungsorganisation Freedom House. Der Druck der Kartelle auf die Medien habe zu Selbstzensur geführt. Die Organisation verweist auch auf die hohe Straflosigkeit. Nur drei Prozent aller Mörder werden strafrechtlich verurteilt, von den Bedrohungen und tödlichen Angriffen auf Pressevertreter ist praktisch kein Fall aufgeklärt.
Auch das Ende April verabschiedete Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten gehe das zentrale Problem Straflosigkeit nicht an, kritisierte die mexikanische Nichtregierungsorganisation Artículo 19. Aber immerhin ermögliche es bessere Schutzmaßnahmen.
An der Bereitschaft des Staats, Medienschaffende zu schützen, zweifeln die Aktivisten jedoch sehr. Man habe bereits bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission auf die Bedrohung der Fotoreporter hingewiesen, erklärten sie letzten Donnerstag. „Doch weder das Innenministerium noch die Behörden in Veracruz haben Maßnahmen eingeleitet, um die Sicherheit der Journalisten zu garantieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid