: Journalisten im Fadenkreuz
Spitzelaffäre: Mitarbeiter der Hamburger Magazine „Spiegel“ und „Stern“ wurden systematisch ausgeforscht. Wanzenteile in Journalisten-Wohnung entdeckt. Verlage wollen gegen Nachrichtendienst klagen
Die Affäre um die Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) hat Hamburg erreicht – und zieht immer weitere Kreise. Aus dem geheimen Bericht des vom Bundestags-Kontrollausschuss eingesetzen Sonderermittlers Gerhard Schäfer werden täglich neue Details bekannt. Sie belegen, dass vor allem Mitarbeiter der Hamburger Verlagshäuser Spiegel und Stern systematisch ausgeforscht wurden – bis ins Privatleben hinein. Beide Magazine hatten vor allen in den 90er Jahren wiederholt über rechtswidrige Aktivitäten des BND und anderer Nachrichtendienste recherchiert.
Zu den Betroffenen sollen neben Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust die ehemaligen Spiegel-Redakteure Hans Leydendecker, Günther Latsch und Georg Mascolo sowie die ehemaligen Stern-Reporter Karl-Günther Barth und Wolfgang Krach gehören. Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn spricht von weiteren in seinem Verlag bekannten Bespitzelungs-Fällen und ist inzwischen sicher, das da „noch viel mehr kommt“.
Während der BND gestern vehement bestritt, Telefonanschlüsse von Journalisten überwacht zu haben gab der Stern gestern bekannt, dass ein Techniker der Telekom im vergangenen Sommer den Bauteil einer Abhöreinrichtung in einer Hamburger Wohnung aufgespürt hat. Diese war zuvor vom Stern-Autor Hans Peter Schütz bewohnt worden, einem intimen Kenner des BND.
Ins Visier der Agenten gerieten vor allem Journalisten, deren Berichte darauf hindeuteten, dass sie Zugang zu vertraulichen BND-Informationen hatten. Karl-Günther Barth, heute stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, wurde nach eigenem Bekunden während der Recherche über die Befreiung zweier deutscher Staatsbürger aus dem Libanon von seinem Co-Autor Wilhelm Dietl systematisch ausgeforscht. Barth erklärte gestern gegenüber dem Deutschlandfunk, er sei „fassungslos“ darüber, „dass ein Kollege, den ich seit fast 20 Jahren kenne“, über ihn „Dossiers angelegt“ habe.
Er sprach in diesem Zusammenhang von der „Methode Mielke“: „Das ist doch wie in der DDR, wo Kollegen Kollegen bespitzelt haben“. Laut Informationen des Spiegel soll Dietl insgesamt mehr als 600.000 Mark vom BND für seine Spitzeldienste erhalten haben. Dietl, der auch für den Focus arbeitete, bestritt allerdings gegenüber der taz jede Schuld: „Ich habe nie irgendjemand bespitzelt“, beteuert der 50-jährige Autor, der nun seinerseits gegen die vermeintliche Verleumdung seiner Person juristisch vorgehen will.
Stern und Spiegel bereiten mittlerweile rechtliche Schritte gegen die BND-Verantwortlichen vor. „Wir verlangen als Erstes Akteneinsicht beim BND“, erklärte Stern-Chefredakteur Osterkorn gestern. Dann kämen Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Verantwortlichen in Betracht und schließlich eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bespitzelungs-Aktionen. Ein Sprecher des Spiegel sagte, man wolle über rechtliche Schritte nachdenken, „sobald alle Informationen vorliegen“. Auch die meisten beschatteten Autoren haben angekündigt, juristisch gegen den BND vorzugehen – und gegen die Kollegen, die für den Dienst Geheimdossiers über sie anlegten.
Marco Carini
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