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Journalist über Pressefreiheit in Mexiko"Der Staat ist Teil des Problems"

Mexiko ist das gefährlichste Land für Journalisten in Lateinamerika. Pedro Matías erholt sich nach seiner Entführung als Stipendiat der Stiftung für politisch Verfolgte in Hamburg.

"Man kann in Mexiko kaum noch zwischen organisierter Kriminalität und politischer Gewalt trennen", sagt der mexikanische Journalist Pedro Matías. Bild: Knut Henkel

taz: Herr Matías, was bedeutet Ihnen Ihr Stipendium?

Pedro Matías: Es ermöglicht mir Luft zu holen, ein Jahr lang frei, ohne Angst zu leben. 2010 werde ich aber rechtzeitig zu den Regionalwahlen nach Oaxaca zurückkehren.

Pedro Matías

Der 45-Jährige berichtet für die Regionalzeitung Noticias de Oaxaca und die landesweit erscheinende Wochenzeitung Proceso vorwiegend über soziale Missstände im Süden Mexikos.

Im vergangenen Jahr sind Sie entführt worden. Was ist da genau passiert?

Pedro Matías: Es war am 5. Oktober 2008 gegen 20 Uhr, als ich von zwei Personen beim Verlassen meiner Wohnung überfallen wurde. Der eine lief mir vors Auto, ich bremste, während der andere einstieg und mich mit der Waffe bedrohte. Dann zwangen sie mich, in den Fond umzusteigen, wir fuhren durch die Stadt, hielten bei Banken, um Geld zu ziehen. Später begannen sie, mir zu drohen mich umzubringen, auch meine Familie hätten sie im Visier. Dann drückten sie mir zwei Flaschen von links und rechts gegen den Kopf, zogen mich aus, drohten mich zu vergewaltigen, schossen in die Luft. Es war in erster Linie psychologische Folter. Am frühen Morgen warfen sie mich schließlich in einem Dorf nahe Oaxaca aus dem Auto. Dort wurde ich gefunden und erstattete Anzeige.

Haben Sie eine Vermutung, wer Sie entführt hat?

Die beiden Entführer haben sich als Zetas ausgegeben, so nennt sich der bewaffnete Arm eines bekannten Drogenkartells. Allerdings gehen die Kartelle in aller Regel mit Journalisten anders um. Abgeschnittene Daumen, Lippen und Zungen sind charakteristisch. Mexiko hat Kolumbien als gefährlichstes Land für Journalisten in Lateinamerika abgelöst. Vor allem im Norden des Landes ist es sehr brenzlig.

Nun liegt Oaxaca aber im Süden Mexikos. Sehen Sie denn eine plausible Verbindung zwischen Ihrer journalistischen Arbeit und dem Kartell?

Die Drogenkartelle sind zwar auch im Süden präsent, aber ich habe im Rahmen meiner Arbeit mit der Drogenproblematik gar nichts zu tun. Das Thema, mit dem ich mich seit knapp 20 Jahren beschäftige, sind die sozialen Konflikte in Oaxaca. Ich berichte über die politische Gewalt in diesem Bundesstaat, über politische Morde, Verschwundene, Folter und Verhaftungen. Das ist auch der Grund, weshalb es mir sehr seltsam vorkam, dass die Zetas ausgerechnet an mir interessiert sein könnten.

Eine Finte, um den eigentlichen Hintergrund zu verschleiern?

Ja, so ist es oder so könnte es sein, denn beweisen kann ich nichts, und ich will meine Familie nicht in Gefahr bringen.

Haben Sie einen Verdacht, wer hinter der Entführung stecken könnte?

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten: von der gewöhnlichen Kriminalität bis zu den Instanzen des Bundesstaates. Es gibt immer wieder staatliche Funktionäre, die genervt von der Kritik, von der Aufdeckung von Skandalen und Fehlern sind. Der Staat und seine Instanzen üben Gewalt aus, sind Teil des Problems und sorgen mit dafür, dass der Bundesstaat unregierbar oder zumindest schlecht regierbar ist.

Der Staat und seine Institutionen sind also ein Teil der organisierten Kriminalität?

Ja, es gibt zahlreiche Querverbindungen, und man kann kaum mehr trennen zwischen gewöhnlicher, organisierter Kriminalität und politischer Gewalt.

Das erinnert an Kolumbien.

In Mexiko sprechen wir von der Kolumbianisierung unseres Landes, und vielleicht ist es bei uns mittlerweile viel schlimmer, denn Mexiko ist deutlich größer und hat deutlich mehr Einwohner. Fünf bis sieben große Kartelle agieren in Mexiko.

Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeitsbedingungen aus?

Verheerend! Journalistische Arbeit wird zunehmend unmöglich, wenn man nicht auf der Seite des Staates steht. Dann erhält man Sicherheit, staatliche Unterstützung - eben den Schutz des Systems. Aber in diesem Fall erfüllt man kaum mehr seinen journalistischen Auftrag - ist weitaus eher Erfüllungsgehilfe. Es gibt auch einen steigenden staatlichen Druck gegenüber unabhängigen Medien, sie erhalten keine Anzeigen, werden schikaniert, wenn sie die Regierung kritisieren. So wurden zum Beispiel auch schon mal fiktive Streiks gegen die Zeitung Noticias de Oaxaca, für die ich arbeite, initiiert. Das sind Beispiele, wie der Staat diejenigen bestraft, die mit ihm nicht an einem Strang ziehen.

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