Berliner Tagebuch: Josef & Adolf
■ Berlin vor der Befreiung: 2. März 1945
Foto: J. Chaldej/Voller Ernst
Überall in Berlin wird nun mit der Panzerfaust geübt. Die Propaganda trichtert den Hitlerjungen und den alten Volkssturmmännern ein, daß die letzte Runde des Krieges mit diesem Kampfmittel gewonnen werden könne. Die Jungen glauben das. Die Männer glauben weder das eine noch das andere, was die Propaganda über die Stadt hinausbrüllt. Sarkastisch bemerkt einer: Selbstverständlich siegen wir – wenn nicht in diesem Kriege, dann bestimmt im nächsten.
Es ist eine Bestimmung erlassen worden, wonach Trauerflor bei Todesfällen nur an nahe Verwandte ausgegeben werden darf. Trauerkleidung wird weder hergestellt noch verkauft. – Jetzt kommt es noch dazu, daß Goebbels die Trauer vollends abschafft, sagt der Berliner.
Die Menschen bereiten sich ihr Essen an offenen Feuerstellen in Vorgärten, auf Straßen, in Parks. Kohlenherde gibt es nur in verschwindend wenigen Häusern. Wäsche zu waschen, ist fast zu einer Unmöglichkeit geworden. Wasser muß von alten Eisenpumpen geholt werden. Es ist ein Glück, daß Berlin solche Pumpen hat. Die große Barrikade an der Leipziger Straße gibt Anlaß zu Heiterkeit. Quer vor die Barrikaden sind überall schwere Möbelwagen geschoben worden, die mit Steinen oder Eisenschrott gefüllt wurden. Diese Möbelwagen sollen, wenn die Lage ganz kritisch wird, die schmale Passage, die jetzt noch dem Verkehr dient, völlig schließen. Die Möbelwagen auf dem Potsdamer Platz stammen von der Firma Josef Göbel & Adolf Milde. Josef und Adolf immer beisammen, spottet das Volk. Jacob Kronika
Aus: „Der Untergang Berlins“, Flensburg 1946. Kronica, dänischer Journalist (1897-1982), berichtete von 1932 bis 1945 für dänische Zeitungen aus Berlin und war zugleich von den NS-Behörden als Sprecher der dänischen Volksgruppe in Südschleswig anerkannt. Er bewegte sich daher ständig zwischen Kollaboration Widerstand.
Recherche: Jürgen Karwelat
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