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Johannes Kopp über Bayer Leverkusen als Deutscher MeisterZeitenwende im Fußball

Bayer Leverkusens erster Titel gleicht einem Kunstwerk. Es ist eine Meisterschaft wie gemalt. Zuvorderst werden die Leverkusener Profis als Befreier vom Meistermonopolisten Bayern München wahrgenommen. Das steigert den Wert der Schale weit über das Übliche. Schließlich gab es in den letzten zwölf Jahren nur zwei Deutsche Meister: Bayern München und eben Bayer Leverkusen.

Ins Auge sticht auch die kaum fassbare rasante Entwicklung des Teams. In den wenigen Transferperioden wurde der Kader für diesen Fußball nahezu perfekt ausgerichtet. Der Verein nahm durchaus Geld dafür in die Hand, das spielte jedoch nicht die entscheidende Rolle. Es gab keine Könige, Bayer Leverkusen überzeugte als Kollektiv. Die Spieler, die etwas mehr im Scheinwerferlicht standen, wechselten sich in schöner Regelmäßigkeit ab. Jeder schien jeden besser zu machen, so dass die Ausnahmequalitäten des 20-jährigen Florian Wirtz mitunter nur wie das Sahnehäubchen auf einer stattlichen Torte wirkten.

Längerfristig gedacht wird Bayer Leverkusen gegen die systembedingt nicht einholbare Kapitalmacht des FC Bayern chancenlos sein. Aber nach der Vertragsverlängerung von Xabi Alonso ist es Leverkusen zuzutrauen, mindestens in der nächsten Saison den Meisterschaftskampf offen zu halten. Betrachtet man nur die sportlichen Vorgänge, hätte sich der Verein eine Sympathiewelle verdient, wie sie einst Borussia Mönchengladbach in den goldenen 1970er Jahren erfasste, als das Team für einen ganz besonderen Fußball stand.

Doch dem perfekten Bild, das Leverkusen gefertigt hat, fehlt etwas. Das erste Wort dieses Kommentars, nämlich Bayer, lässt es bereits erahnen. Es fehlt an Seele. Kaum vorzustellen, was in diesem Land in den letzten Monaten los gewesen wäre, wenn Borussia Dortmund auf diese Weise die Dauerherrschaft des FC Bayern beendet hätte.

Zudem hat die Dauerherrschaft des FC Bayern die Wahrnehmung der Fußballfans verändert. Es gibt Wichtigeres als die Deutsche Fußballmeisterschaft. Es ist schwieriger geworden, eine große Euphorie zu entfachen.

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